Ein unerwarteter “Bonus” – Erfahrungen im digitalen Semester

Ungewohnt. Neu. Seltsam. Es gibt so viele Wörter, um zu beschrieben, wie das Sommersemester 2020 abgelaufen ist. Warum, brauche ich niemandem zu erläutern. Corona hat unseren Alltag verändert und dementsprechend auch das akademische Leben. Auch für mich hatte dies Konsequenzen zur Folge – glücklicherweise zumeist erfreuliche! – und um die soll es nun gehen.

Meine Ausgangslage, als im März die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie begannen, war eindeutig: Ich hatte mein Studium beendet (zum Glück rechtzeitig, muss man inzwischen sagen!), meine Hiwi-Jobs liefen aus und ich wollte zum Sommersemester anfangen zu promovieren. Das Okay meiner Betreuerin hatte ich dafür, erste Ideen schwirrten mir auch schon im Kopf herum, es fehlte im Prinzip nur noch das klärende Gespräch, ein paar Unterschriften und meine Bewerbung.

Ungeahnte Änderungen

Im Endeffekt kam alles ganz anders: Ich blieb ein Semester länger in meinem Studiengang eingeschrieben – eine Bewerbung zum Winter erschien mir dann plötzlich auch viel sinnvoller -, wurde dankenswerterweise trotzdem bereits von meiner Betreuerin unterstützt, durfte online an Doktorandenkolloquien teilnehmen und habe nebenbei an den Vorbereitungen für meine Doktorarbeit gewerkelt. Im Nachhinein betrachtet war dies die absolut richtige Entscheidung. Ich hatte genug Zeit, um mein Thema angemessen zu durchdenken, Literatur zu recherchieren und ohne Stress (immerhin ist man ja nur eine begrenzte Zeit eingeschrieben) meinem Plan nachzugehen. Dazu aber demnächst in einem eigenen Beitrag mehr, Zwar habe ich nun auf dem Papier fünf Mastersemester statt vier stehen, aber wen kümmert das? 

Von den Schwierigkeiten, Literatur zu recherchieren

Vorbereitungen zu treffen, erwies sich anfangs schwierig. Die Uni und speziell die Universitätsbibliothek war zeitweise geschlossen, erst ab Mitte April wurde sie Stück für Stück wieder geöffnet. Das Leben kehrte eingeschränkt auf den Campus zurück. Bücher auszuleihen war mühsam, die Schlangen lang, Kopieren und Scannen ging in manchen Bibliotheken bis Juli nicht. Anfangs waren für Studierende sogar alle Toiletten unzugänglich (mit Ausnahme des Botanischen Gartens), was ich noch immer für ein Unding halte. Eine schwierige Situation, und mehr als einmal habe ich erlebt, dass auf allen Seiten die Nerven blank lagen. Inzwischen sind die allermeisten Bereichsbibliotheken wieder geöffnet, eingeschränkt stehen Sitzplätze zur Verfügung (von denen eifrig Gebrauch gemacht wird) und das Essensangebot wird sukzessive hochgefahren. Und offensichtlich haben die Maßnahmen gewirkt, Coronafälle sind meines Wissens in der Uni nicht aufgetreten. Trotz dieser widrigen Umstände konnte ich bis jetzt ca. 85% meiner bisherigen Literaturliste abarbeiten, d. h. Aufsätze scannen und privat abspeichern. Lange Aufenthalte habe ich dieses Semester aber vermieden. Nicht einmal habe ich längere Zeit im Botanischen Garten gesessen, die Zentralmensa unsicher gemacht oder auf einer der Wiesen unterm Baum gesessen.

Aufbruch ins digitale Semester

Nebenbei kam eine unerwartete Aufgabe auf mich zu: Ich hatte bereits erwähnt, dass meine Hiwi-Jobs ausliefen. An sich hätte ich sie auch noch weiterführen können (schließlich bin ich ja Promotionsstudentin und habe die Uni nicht verlassen). Problematisch daran ist nur, dass keine Mittel zur Verfügung stehen, um Personen mit einem Masterabschluss zu bezahlen. Denn leider wird man ja nicht nach Leistung bezahlt, sondern nach akademischem Grad … Normalerweise. Denn coronabedingt ging es im Sommersemester 2020. Und so bekam ich die Anfrage – nachdem die Tutorinnen für das Semester bereits ausgewählt waren und das grobe Konzept bereits feststand -, ob ich mir denn nicht vorstellen könne, noch einmal als erfahrene Tutorin für ein Mittelhochdeutsch-Tutorium einzuspringen. Eine weitere Ausnahme. Denn ansonsten gibt es im Sommer immer nur drei Tutorien und damit auch nur drei Tutorienstellen. Nun gab es fünf, gleich zwei davon von mir besetzt. Natürlich habe ich sofort zugesagt! Wie ich ja oft auch hier auf dem Blog dargelegt habe, war das Tutorium für mich immer eine Herzensangelegenheit. Es ging mir gar nicht ums Geld, ich hätte es auch freiwillig gemacht, obwohl ich mich natürlich gefreut habe, ein bisschen Geld zu verdienen.

Da sich die Uni im Sommersemester praktisch im Stillstand befand und keine Präsenzveranstaltungen stattfinden durften, musste auch das Tutorium ausweichen – in die digitale Welt. Letztlich war ich also auch maßgeblich daran beteiligt, das Tutorium zu digitalisieren; überhaupt eine Möglichkeit zu finden, wie man Studierende online so unterrichtet, dass nachhaltiges Wissen transportiert werden kann. Unser Konzept sah dann statt den ansonsten zehn wöchentlichen Tutoriumsstunden vier, im zweiwöchigen Rhythmus stattfindende Stunden vor, die wir synchron über die Plattform Microsoft Teams abhielten. Die Lehrenden hatten sich auf ein gemeinsames Programm geeinigt, an dem wir Tutorinnen stärker als sonst beteiligt waren. Hört sich vermutlich nicht besonders an, aber wenn man weiß, wie es sonst abläuft (dessen sich die Lehrenden auch bewusst sind :D), war das wirklich eine erfreuliche Situation.

Bis wir Tutorinnen Teams verstanden haben, die Studierenden dazu bewegen konnten, sich dort einzuloggen und der genaue Ablauf feststand, verging viel Zeit und Mühe. Aber wir schafften es und konnten ohne größere Probleme unsere Tutorien abhalten. Um möglichst vielen Studierenden die Gelegenheit zu geben, an einem Tutorium teilzunehmen und zugleich das Programm nicht zu überlasten, beschlossen wir, statt der gewöhnlichen Tutoriumskurse Kleingruppen anzubieten. Jede von uns vier Tutorinnen war für eine bestimmte Anzahl an Kleingruppen zuständig, in meinem Fall waren es acht Kleingruppen, von denen vier sogar direkt hintereinanderlagen. Aber auch den anderen Tutorinnen erging es meist nicht besser. Trotzdem waren wir am Ende immer noch gut drauf, das ist doch schon mal was :D. Natürlich hat auch diese Tutorium einige kuriose Momente hervorgebracht: Von einer Einzelsitzung ohne jedes Lebenszeichen der Teilnehmerin, Momenten, in denen ich von jemandem stummgeschaltet wurde, über Leute, die nach Beendigung der Videokonferenz noch mindestens eine Stunde allein in selbiger verbracht haben (offensichtlich eingeschlafen/weggegangen), war vieles dabei.

Letzten Endes hat das Feedback der Leute gezeigt, dass es noch einiges zu verbessern gibt, vieles jedoch schon genau richtig lief. Zwar habe ich selbst nicht mehr als Studentin an Veranstaltungen teilgenommen, aber das Feedback, die Meinungen und Erfahrungen, die ich , nicht nur im Tutorium, sondern auch von Freunden, Kommilitonen, Studierenden und vielen Dozenten bekommen habe, haben gezeigt, dass Präsenzlehre einfach unersetzbar ist. Zumindest gibt es aber Möglichkeiten, ihr so nah wie möglich zu kommen. Synchrone Videokonferenzen, wie wir sie im Tutorium abgehalten haben, sind m. E. die richtige Methode dafür.  In dem Sinne bin ich froh, noch einmal die Chance bekommen zu haben, ein Tutorium zu leiten und daran mitwirken durfte, eine Grundlage für die digitale Lehre zu legen. 

Inzwischen hat der Herbst angefangen. Die Tage werden fahl und grau und kalt (nicht, dass ich das nach den hitzigen Wochen schlecht finden würde), das Ende des Jahres rückt näher. Von einer Normalität sind wir weit entfernt. Noch weiß niemand so richtig, wie denn ab Anfang November das Semester aussehen wird. Nach einigen bürokratischen Querelen (natürlich, es geht nicht ohne) bin ich nun endlich offiziell als Promotionsstudentin immatrikuliert und blicke meinem ersten Lehrauftrag entgegen. Dieses Mal keine Berichte von Mensagängen, Seminaren oder Dozenten. Und so endet mein Beitrag, genauso ungewohnt, wie er begonnen hat.

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