Epochenüberblick 1: Das Mittelalter (500 bis 1500) – Heldenepos und Minnesang

“Dû bist mîn, ich bin dîn.
des solt dû gewis sîn.
dû bist beslozzen
in mînem herzen,
verlorn ist das sluzzelîn:
dû muost ouch immêr darinne sîn.”

Meinen kleinen Epochenüberblick beginne ich mit der Literatur des Mittelalters. Vielleicht kommt jetzt die Frage auf, warum das Mittelalter den Beginn macht und nicht die Antike. Das liegt einfach daran, dass es zu dieser Zeit hier in dem Gebiet bis auf einige Stämme nichts gab außer vielen Sumpfgebieten und Wäldern. Der Staat Deutschland war noch weit entfernt, die Kultur schlummerte ebenfalls noch in ihrem weichen Bett. Das beantwortet vielleicht auch, warum die Literatur der Antike hauptsächlich vom Römischen Imperium und Griechenland beeinflusst ist – dort entstand sie, von dort breitete sie sich aus. Bekannte Namen wie Ovid, Vergil oder Aristoteles prägten die Literatur und hatten auch einen großen Einfluss auf die deutsche.

Nun aber zurück nach Deutschland, bzw. zum Frankenreich, das später zum Heiligen Römischen Reich (Deutscher Nation) wurde. Eine genaue Einteilung, wann das Mittelalter begann und wann es aufhörte, ist schwierig, aber im Allgemeinen setzt man als Beginn den Zeitraum um 500 (bzw. 750, wenn man von der überlieferten Literatur ausgeht) und als Ende die Zeit um 1500.

Zu Beginn des Mittelalters steht der Wandel von mündlicher zu schriftlicher Tradierung. Lesen und Schreiben konnten damals nur die gebildeten Geistlichen, von denen die schriftliche Fixierung von zuvor nur mündlich überlieferten Bibeltexten, Übersetzungen und weiteren Texten ausging. Dies geschah zunehmend in der Volkssprache, d. h. den althochdeutschen Dialekten (Althochdeutsch war keine zusammenhängende Sprache, sondern eine Reihe von Dialekten mit bestimmten lautlichen Merkmalen) und nicht mehr in Latein. Literatur, wie man sie heute kennt, gab es damals nicht, bedingt auch dadurch, dass der Buchdruck noch nicht erfunden war und Bücher handschriftlich verfertigt werden mussten, was eine schnelle Verbreitung erschwerte.

Literatur als Unterhaltungsmedium kam erst im Verlauf des Mittelalters auf und erreichte ihre Blütezeit um 1200. Sie diente zur Unterhaltung des adligen Publikums und wurde an Höfen vorgetragen.
Besonders beliebt waren im Frühmittelalter (bis etwa 1050) so genannte Heldendichtungen, die in Versen verfasst wurden. Dazu zählten zunächst Heldenlieder wie das althochdeutsche Hildebrandslied aus dem neunten Jahrhundert. Im Hochmittelalter (1050-1350) entwickelte sich daraus Heldenepen, wie etwa das mittelhochdeutsche Nibelungenlied aus dem 13. Jahrhundert mit dem Helden Siegfried im Mittelpunkt oder die Dietrichepik rund um die Figur Dietrich von Bern. Daneben waren vor allem Artusromane, die Geschichten rund um König Artus und dessen Ritter erzählten, beliebt.

Die bekanntesten Epiker dieser Zeit waren Hartmann von Aue (u. a. „Erec“, “Iwein”), Wolfram von Eschenbach („Parzival“) und Gottfried von Straßburg („Tristan“). Von ihnen allen wissen wir nicht mehr als ihren Namen und dass sie um 1200 lebten, über ihr sonstiges Leben ist nichts Gesichertes bekannt. Sie eint jedoch die Tatsache, dass ihre Werke nicht Ausdruck einer individuellen-schöpferischen Kraft waren, sondern auf Vorlagen (meist aus dem französischen) beruhten. Meist standen sie im Dienst adliger Gönner, ihre Werke waren daher Auftragsarbeiten.

Einen weiteren wichtigen Teil der mittelalterlichen Literatur macht die Lyrik aus. Bekannt ist hier vor allem der Minnesang (ahd. minna = Liebe), eine Art ritualisierte Liebeslyrik innerhalb des Rittertums, die damit ihre eigene Kultur auszudrücken versuchte. Als Ritter sollte man sich hier übrigens nicht unbedingt die gepanzerten Krieger auf dem Pferd vorstellen. Im Hochmittelalter hatte sich das Rittertum zu einem Geburtsstand entwickelt, der eine weltlich-kulturelle Lebensweise pflegte. Im Zentrum des Minnesangs steht meistens die Verehrung der unerreichbaren „vrouwe“, aber auch andere Themen der Liebe werden angesprochen (Trennung, Zurückweisung etc.). Eine Sonderform davon ist der so genannte Leich, eine wesentlich komplexere lyrische Form.
Im Gegensatz zu dieser hoch ideellen Dichtung steht die Spruchdichtung, die sich mit religiösen, politischen oder aktuellen Themen auseinandersetzt.
Der bekannteste Dichter um 1200 war wohl Walther von der Vogelweide, später treten Namen wie Neidhart und Frauenlob dazu. Auch von ihnen wissen wir so gut wie nichts.

Mit Beginn des Spätmittelalters (ab 1350) nahm die Popularität des Minnesang zunehmend ab. Beliebt war in dieser Zeit die Märendichtung, eine kurze Verserzählung, der Meistersang und die ersten Volksballaden kamen auf, ansonsten wurden mehr im alltäglichen Bereich die Grundlagen für die spätere Literatur gelegt: die Zeit des Städtewachstums begann, Universitäten wurden gegründet und schließlich wurde um 1450 der Buchdruck erfunden, der die Grundlage für die Verbreitung der Literatur legte.

Abschließend ist noch zu sagen, dass das Mittelalter meist zu Unrecht als finstere und dunkle Zeit bezeichnet wird. Diese Abschätzung stammt von den Aufklärern, die ihre helle, von Vernunft erleuchtete Zeit von der alten abgrenzen wollten. Sicher gab es nicht die technischen Hilfsmittel, die Infrastruktur oder die Medizin, die uns heute das Leben erleichtern, aber wie man sieht, hat sie zum Beispiel im Bereich Literatur viel Gutes hervorgebracht.

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