„Drei Schüsse in die Luft“ – Über Kritik durch Musik

Im Dezember 2014 trat in einer Folge der Kabarettsendung „Die Anstalt“, die meiner Meinung nach das Beste ist, was das Fernsehen momentan in dieser Sparte zu bieten hat, die Band „Kraftklub“ auf, die mir vorher nur vom Namen her bekannt war.

Innerhalb der Sendung spielte Kraftklub neben dem Titellied der Sendung auch das Lied „Schüsse in die Luft“ und wer die Anstalt kennt, weiß, dass die Gäste dort nicht (nur) für Unterhaltung sorgen, sondern etwas zu sagen haben, wie etwa der Auftritt eines Flüchtlingschors beweist.

Kraftklubs Musik entspricht eigentlich nicht meinem Musikgeschmack und trotzdem stimmte mich der Song nachdenklich, denn er übt Kritik an unserer Gesellschaft, insbesondere an ihrer Einstellung gegenüber Problemen. Wer sich das Lied anhören möchte, kann das hier tun.

„Meine Mutter sagt: Junge geh’ mal schlafen,
fahr’ mal in Urlaub, aber ich soll auf die Straße, sagt Farin Urlaub.
Ja okay, jetzt steh’ ich hier, doch bin allein vor einer Wand,
da bin nur ich und sonst nichts, nur dieser Stein in meiner Hand.
Es ist ein einsamer Krieg gegen den Dreck, der mich umgibt,
den verf***ten Dreck, den scheinbar keiner außer mir sieht.
Aber wie auch, wenn niemand rausschaut,
lieber auf der Couch mit Frauentausch oder Bauer sucht Frau.

Und ja natürlich nur ironisch und nur so nebenbei
Aber im Vergleich mit den Opfern, da ist das eigene Leben schon geil
Ein Hund beißt nicht, wenn er bellt und alles ist gut,
solange die auf RTL ein bisschen dümmer sind als du.“

Die hier im Ganzen zitierte erste Strophe beweist, dass es keine überflüssigen Teile gibt, jeder Satz hat eine eigene, wichtige Aussage. Zugleich wird direkt am Wortspielt “Fahr’ mal in Urlaub” – “Farin Urlaub” (Sänger der Band “Die Ärzte”) die sprachliche Feinheit deutlich, die das ganze Lied durchzieht. Das Lied soll nicht nur unterhalten, es soll aufrütteln und dazu ist es nötig, die Lyrics mehrmals zu lesen und zu überdenken.

Überspitzt werden die Menschen hier als Voyeuristen dargestellt, die sich lieber „zurücklehnen“ und seichte „Scripted Reality“ anschauen, um sich über die dort dargestellten Person zu erheben, anstatt etwas zu ändern. Dabei geben die Menschen vor, diese Sendungen mit dem nötigen Abstand zu gucken, weil sie vielleicht wissen, dass man als „niveaulos“ gilt, wenn man zugibt, diese Sendungen gerne zu sehen.

Das mag natürlich ein wenig überspitzt sein, auch die Wortwahl ist bewusst provozierend und derb. Allerdings ist auch Satire überspitzt und womöglich braucht es diese übertriebene, verallgemeinernde Darstellung, um Probleme aufzuzeigen.

Das Lied zeigt nämlich, dass es die Probleme durchaus gibt:

„Du wirst nicht enttäuscht, wenn du nie etwas erwartest
und bevor du etwas falsch machst, dann mach mal lieber gar nichts.
Irgendjemand sagt schon irgendwann mal irgendwas
ansonsten musst du halt zufrieden sein mit dem, was du hast
Und selbst wenn alles scheiße ist, du pleite bist und sonst nichts kannst
dann sei doch einfach stolz auf dein Land
Oder gib die Schuld ein paar anderen armen Schweinen
Hey, wie wäre es denn mit den Leuten im Asylbewerberheim?“

Hier wird meiner Meinung nach am deutlichsten dargestellt, woran es in unserer Gesellschaft krankt, nämlich, dass ihre Mitglieder lieber in ihrem aktuellen Zustand verharren möchten, weil sie entweder Angst vor Fehlern oder kein Interesse am einer Veränderung haben oder weil scheinbar alles in Ordnung ist. Die Probleme bzw. die Unzufriedenheit verbleiben aber trotzdem. Anstatt etwas zu tun, um sie zu beseitigen, wird nach Schuldigen gesucht, an denen man sein aufgestaute Energie ablassen kann, in diesem Beispiel Asylbewerber. Eine Problematik, die nicht zuletzt aufgrund von Pegida und diversen Angriffen auf Flüchtlingsheime an Aktualität nichts verloren hat.

“Allen ist alles egal außer der Handyvertrag
(und ich male alles schwarz)
Mit 390 Euro Hartz kommt man nicht weit im Biomarkt.
(und ich male alles schwarz)
Dein verk***ter Kommentar war natürlich nur ein Spaß, alles klar.
(und ich male alles schwarz)
Die ganze Nacht besoffene Vollidioten bedienen an der Bar
für sieben Euro die Stunde, aber schwarz.”

Zuletzt versucht das Lied aufzuzeigen, woher diese Haltung der Menschen kommen könnte. Dass Leute sich aufgrund von Unzufriedenheit mit der Politik zurückziehen, ist nichts Neues (→ Biedermeier), wenngleich sich die Gründe mit der Zeit geändert haben. Hier sind es die schlechte Bezahlung sowie steigende Bedeutung von telekommunikativer Verbindung, die als Beispiele genannt werden.

Aber auch wenn Pegida und all seine Ableger sich irgendwann auflösen werden, ist der angestaute Unmut der Menschen nicht beseitigt, was beispielsweise die ständigen Angriffe in Richtung der Asylanten zeigen. Leider ist es schwer, solchen Leute zu zeigen, welchem Irrsinn sie anhängen.

Die Strophe des Songs lautet:

Und ich schieße in die Luft (bäng, bäng, bäng)
Ich ziehe in den Krieg, aber keiner zieht mit
Drei Schüsse in die Luft (bäng, bäng, bäng)
Der einzige hier draußen bin leider wieder ich.
Und ich schieße in die Luft (bäng, bäng, bäng)
Doch keine Reaktion, nur Beschwerden über Krach.
Drei Schüsse in die Luft (bäng, bäng, bäng)
Die Revolution oder Berlin Tag und Nacht?

Zunächst mag man denken, dass sie doch ziemlich pessimistisch und wenig „aufrührerisch“ klingt, aber genau so soll sie sein, denn sie kritisiert, dass die Anzahl derjenigen, die etwas verändern wollen, verschwindend gering gegenüber denen ist, die sich mit ihrem Leben zufrieden geben.

Nicht jeder hat die Möglichkeit etwas zu ändern, nicht jede Satiresendung sorgt dafür, dass kontroverse Dinge aufgedeckt werden, aber ich denke, es bringt bereits viel, wenn man sich bewusst ist, was falsch läuft und sich nicht in Fantasien verstrickt, weil es einem gerade passt.

Früher waren es Flugblätter, Gedichte oder Bücher, heutzutage sind es Lieder, die die Rolle der „kritischen Unterhaltung“ mehrheitlich übernommen haben. Das wachsame Auge hat sich erhalten.

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