Epochenüberblick 11: Das 20. Jahrhundert bis heute – Krieg, Teilung, Vereinigung

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
– Ausschnitt aus: Stufen (1941), Hermann Hesse

Das 20. Jahrhundert ist so reich an Ereignissen, dass man aus jedem Jahrzehnt einen eigenen Artikel erstelle könnte. Ich habe mich jedoch dafür entschieden, einen groben Überblick zu geben, und mich nicht in Einzelheiten zu verlieren.

Der erste Abschnitt des Jahrhunderts wird manchmal Fin de Siécle genannt, womit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass eine alte Ära abgeschlossen ist und eine neue Zeit beginnt. Zwar tauchen hin und wieder noch Begriffe wie Impressionismus und Expressionismus auf, aber Prinzipiell verschwimmen die Epochenbezeichnungen mit Beginn dieser Jahre allmählich. Autoren lassen sich nicht mehr einer bestimmten Zeit zuordnen, weshalb man näher auf den einzelnen eingehen muss.

Um die Jahrhundertwende treten zunächst Autoren wie Arthur Schnitzler (1862-1931), Hugo von Hofmannsthal (1874-1929) oder Rainer Maria Rilke (1875–1926) in den Vordergrund.
Schnitzler legte Wert darauf, das Leben seiner handelnden Figuren mit all ihren Schwächen und Tabus darzustellen. Da Schnitzler aus Wien kam, verwendete er häufig diesen Ort als Schauplatz für seine Werke.
Hofmannsthal und Rilke gingen hingegen als Lyriker in die Geschichte ein. Besonders Rilke, dessen Werk von dem Philosophen Nietzsche geprägt war, sah die Welt mit all ihren guten und schlechten Facetten und ließ dies in seine Arbeiten einfließen. In seinem einzigen Roman “Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge” (1910) lässt er seine Hauptfigur die Welt um sich herum betrachten.

Eine weiterer wohl einmaliger Autor dieser Zeit ist Franz Kafka (1883-1924). Kafka war zu Lebzeiten weitgehend unbekannt und veröffentlichte nichts außer ein paar kurzen Geschichten.
Er starb jung und verfügte in seinem Testament, dass alle seine Werke verbrannt werden sollten. Sein Freund Max Brod widersetzte sich seinem Willen jedoch und veröffentlichte die Werke. Über dieses Handeln mag man sich streiten, in Folge wuchs Kafka jedoch posthum zu einem der bekanntesten deutschsprachigen Autoren heran.
Seine Texte und Romane, die nicht immer sofort zu durchschauen sind, umgeben eine eigenartige, dunkle Atmosphäre und die Personen werden von Angst und Verunsicherung geprägt. In Kafkas Erzählung “Die Verwandlung” (1915) wacht Gregor Samsa eines Morgens aus ungeklärten Gründen als riesiger Käfer auf. Infolgedessen entwickelt sich ein skurriles Szenario, das schlussendlich zum Ausschluss des Mannes aus der Familie, zu dessen Vereinsamung und Tod führt. Er und noch einige andere Autoren werden dem Expressionismus zugeordnet, der Zeit der Abstraktheit.

Das erste Jahrzehnt ist geprägt vom Ersten Weltkrieg (1914-1918), dem ersten großen weltweiten Auseinandersetzung. Teilweise herrschte bei Kriegsanbruch eine wahre Euphorie, die natürlich schnell verflog. Erich Maria Remarques (1898-1970) Roman “Im Westen nichts Neues” (1929) schildert die Gräuel des Erste Weltkrieges und macht deutlich, dass Kriege keineswegs etwas Positives sind.

Zehn Jahre nach Erscheinen des Romans beginnt auch schon der nächste Krieg.
Der zweite Weltkrieg und die Herrschaft der Nazis, der wohl schlimmste geschichtliche Abschnitt in der jüngeren Geschichte, zwingt die deutschen Autoren ins Exil, dazu gehörten u.a. Thomas und Heinrich Mann (1871-1950), Kurt Tucholsky (1890-1935), Alfred Döblin (1878-1957), bekannt durch “Berlin, Alexanderplatz” (1929), Bertolt Brecht (1898-1956) und Stefan Zweig (1881-1942). Werke unliebsamer Autoren wurden verbrannt, darunter Brecht, Heine, Kafka und Marx, andere hingegen werden falsch ausgelegt und zu Ikonen der deutschen Literatur stilisiert.
Wolfgang Borchert (1921-1947), der selbst an die Front gezwungen wird und hautnah das Geschehen an der Front erlebte, schrieb nach dem Krieg – geschwächt und den eigenen Tod vor Augen – in Kurzgeschichten und seinem Drama “Draußen vor der Tür” (1947) seine Erfahrungen nieder. Einen Tag vor dessen Uraufführung starb der junge Literat.

In der Kriegszeit waren die Schriftsteller jedoch keineswegs unproduktiv. Thomas Mann (1875-1955), der bereits mit seine Novelle “Der Tod in Venedig” (1912) und dem Roman “Buddenbrooks” (1908) erfolgreich geworden war, schrieb eine Reihe von bekannten Romanen, darunter “Lotte in Weimar” (1939) und nach dem Krieg “Doktor Faustus” (1947).
Stefan Zweig veröffentlichte seine “Schachnovelle” (1942), ehe er sich noch im selben Jahr umbrachte.
Brecht verfasste u.a. “Das Leben des Galilei” (1938/39), “Mutter Courage und ihre Kinder” (1939) und “Der kaukasische Kreidekreis” (1944).
Auch Hermann Hesse (1877-1962) verfasste nach seinen Erfolgen mit “Peter Camenzind” (1904) “Unterm Rad” (1906) und “Demian” (1917) eine Reihe sehr bekannter Werke wie zum Beispiel “Siddhartha” (1922), “Der Steppenwolf” (1927) oder “Narziß und Goldmund” (1930). Bis auf Ausnahme des Steppenwolfes steht im Zentrum aller Romane ein Junge, dessen Heranwachsen mit allen Problemen, mit allen Freuden und den allgemeinen Lebensumständen geschildert wird. Bei einigen Protagonisten reicht die erzählte Zeit bis zum Erwachsenenalter und zum Tod, bei anderen nicht.

In der Zeit der Teilung von Deutschland sind vor allem Heinrich Böll (1917-1985) und Günter Grass (*1927) als herausragende deutsche Autoren zu nennen.
Auch die beiden Schweizer Schriftsteller Max Frisch (1911-1991) mit den Romanen “Stiller” (1954) und “Homo Faber” (1957) sowie Friedrich Dürrenmatt (1921-1990) mit “Der Richter und sein Henker” (1959/51) avancieren zu bekannten deutschsprachigen Autoren.
Zusammen mit Brecht revolutionierten sie das Theater: Stücke waren nicht länger an die traditionellen Einheiten gebunden, sondern wurden so entworfen, wie es gerade passte. Mal sind es “Bilder” wie bei Frischs “Andorra” (1961), mal Szenen wie bei “Biedermann und die Brandstifter” (1958). Nebenfiguren waren nicht mehr individuell, sondern repräsentierten eine bestimmte Berufsgruppe. Sie trugen Namen wie “Der Lehrer” oder “Der Pfarrer”, wie zum Beispiel in Dürrenmatts “Der Besuch der alten Dame” (1956). Nur noch den Hauptfiguren wurde ein Name und eine Hintergrundgeschichte zugesprochen. Das Versmaß verschwand vollkommen, die Zeit des “epischen Theaters” war angebrochen.

Schon sind wir im Heute angekommen. Doch wie sieht es im Jetzt aus? Was ist aktuell?
Heutzutage scheint es keine Grenzen mehr zu geben, denn alle möglichen Themen werde verarbeitet. Nicht ohne Grund spricht man von einer Vielfalt der Stile. Es gibt Kriminalromane, Fantasyromane, historische Romane, Bildungsromane und viele mehr, sodass jeder potenzielle Leser sich angesprochen fühlen kann. Hin und wieder kann man Wellen an besonders bevorzugten Themen beobachten, so waren vor einigen Jahren Vampirromane gefragt, danach Dystopien.

Lyrik und Dramatik treten zunehmend in den Hintergrund, sie werden eher in Musik und Film umgesetzt. Bücher sind längst nicht mehr für einen kleinen Kreis gedacht. Sie werden millionenfach gedruckt und in alle Sprachen der Welt übersetzt.

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