Grundschule

Mein Praktikum in der Grundschule – unerwartet schön!

Da ich von der Caritas für eine Grundschule ausgewählt wurde, habe ich auch hier in Deutschland das vorgeschriebene zweimonatige Praktikum in einer Grundschule gemacht. Bevor ich angefangen habe, habe ich mich zwar schon auf das Praktikum gefreut, mir was aber auch etwas mulmig zu Mute, da ich nicht wusste, wie es mir gefallen würde und ob die Kinder mich ernst nehmen würden. Vor allem habe ich auch (nach meinen damaligen Praktikum im Altenheim) damit gerechnet, dass es schnell langweilig wird. Meine Sorgen waren aber alle mehr als unbegründet! Es war eine überraschend wunderschöne Zeit und hat viel Spaß gemacht!

Das Praktikum halte ich auch jetzt im Nachhinein für noch sinnvoller, als zuerst gedacht. Zum einen konnte ich einen Einblick in einen 8-Stunden-Arbeitstag gewinnen (ich hatte wie vorgeschrieben eine 39-Stunden-Woche), zum anderen konnte ich viel mehr Sicherheit gewinnen für Tansania und mir einige Lehrmethoden abgucken.

Als ich erfuhr, dass ich in eine Grundschule sollte, war ich schon ein bisschen schockiert. Die Grundschule war nämlich nach Computerarbeit (das mache ich ja schon in Deutschland die ganze Zeit) meine letzte Präferenz. Das rührt daher, dass ich so klein und unscheinbar bin und dachte, dass mich doch sowieso keiner ernst nimmt… Barbara (eine der beiden Leiterinnen des Projektes) war über diese Aussage sehr überrascht, da sie sich mich als eine von wenigen ziemlich gut in einer Schule vorstellen konnte. Ich habe ihr einfach mal vertraut und der Grundschule zugestimmt. Und da konnte sie mich wohl besser einschätzen als ich mich selbst! :D

In meinen acht Wochen habe ich echt tolle und auch frustrierende Erfahrungen gemacht. Die meisten Kinder waren sehr lieb und süß. Es ist echt schön, wie sie sich immer freuen, wenn man kommt und eine persönliche Beziehung zu einem aufbauen! Auch alle Lehrer waren sehr nett, haben mich viel unterstützt und mir niemals das Gefühl gegeben, nur eine nutzlose Praktikantin zu sein. Im Gegenteil: Ich hatte den Eindruck, dass sie ganz froh über etwas Unterstützung waren. So durfte ich einzelne Kinder fördern, in dem ich Aufgaben mit ihnen zusammen löst und übte, und zwei Flüchtlingskindern beim Deutsch lernen half.
Ich hatte immer sechs Stunden Unterricht und durfte dann in der Cafeteria das zugegebenermaßen ziemlich grenzwertige Essen essen (und ich bin wirklich nicht wählerisch!), das sogar die Kantinenmitarbeiterinnen nicht besonders gut fanden, aber sie können ja nichts dagegen tun, sondern der Elternbeirat ist dafür zuständig. Einmal gab es Schupfnudeln mit warmem Gewürzketchup – müssten meine Kinder das essen, würde ich mich aber beschweren!
Anschließend ging in bis 15:30 Uhr und freitags bis 15 Uhr in die OGS mit Hausaufgabenbetreuung. Da konnte man die Kinder noch einmal näher und in einem anderen Umfeld kennen lernen.
Meine Zeit in der Grundschule war echt toll. Ich hätte niemals gedacht, dass es mir so viel Spaß machen würde, mit Kindern zu arbeiten. Unerwarteterweise kann ich mir sogar vorstellen, so etwas beruflich zu machen. Aber da ich gerne die Möglichkeit haben würde, auch im Ausland zu arbeiten und vor allem zu reisen, ist der Beruf des Grundschullehrers eher ungeeignet… Aber ich kann bestimmt immer in der OGS oder Hausaufgabenbetreuung helfen, wenn ich mag. Die acht Wochen vergingen echt wie im Flug und ich war sehr traurig, als es schon vorbei war. Wären mit nicht die Sommerferien und der Sprachkurs im Weg gewesen, hätte ich auf jeden Fall noch ein paar Wochen länger dort gearbeitet!
Jetzt freue ich mich auf jeden Fall schon riesig auf meine Arbeit in der Grundschule in Tansania! Natürlich wird es da ganz anders, da dort nur Frontalunterricht gemacht wird und Kinder geschlagen werden (die Kinder wissen ja, dass die Freiwilligen nicht schlagen (wollen) und nutzen die Lage dann dazu aus, einem auf der Nase herumzutanzen…). Trotzdem bin ich schon sehr gespannt und vor allem beruhigt, dass Barbara mich doch so gut eingeschätzt hat!

Im Folgenden ein paar kleine Anekdoten.

 

Die bösen Geschwister

Im Laufe meines Praktikums habe ich fast jedes Kind recht gut kennengelernt. Eine davon war Klara*. Klara ist ein schwieriges Kind. Zu Hause hat sie es nicht leicht und bekommt nicht viel Aufmerksamkeit. So verweigert sie in der Schule seit der ersten Klasse (jetzt ist sie in der dritten Klasse), irgendetwas zu lernen oder Hausaufgaben zu machen. Sie macht dann entweder Quatsch, lenkt andere Kinder ab oder steht/sitzt irgendwo, die Arme vor der Brust verschränkt, und ist nicht ansprechbar. Als ich mich einmal in der Hausaufgabenbetreuung zu ihr gesetzt habe, erzählte sie mir schauderhafte Geschichten von ihren Geschwistern: Ihr kleiner Bruder habe ihr einmal beim Hausaufgaben-machen mit einer Schere in die Lippe geschnitten, ihre Zwillingsschwester sei ja viel schlauer als sie, da diese eine Klasse übersprungen hätte und nun auf dem Gymnasium sei, während Klara eine Klasse wiederholt hätte. Zudem hätte genannte Schwester ihre Geige kaputt gemacht.

Schockiert berichtete ich davon im Lehrerzimmer und erfuhr, dass diese Geschwister alle nicht existent sind. Sie hat sich diese Geschichten ausgedacht! Ziemlich krass, wenn man bedenkt, dass sie gerade mal 8 oder 9 Jahre alt ist und von sich selbst behauptet, dumm zu sein…

Die Schule ist für die Schüler auch sehr engagiert und hat eine Sozialarbeiterin, die den Familien in allem möglichen zu Seite steht. Darunter fällt zum Beispiel das Ausfüllen von Dokumenten zusammen mit Eltern, die kein Deutsch können. Die Schule hat also Klaras Mutter vorgeschlagen, sich um einen Therapeuten für Klara zu kümmern, den jeder für ziemlich nötig hielt (offensichtlicherweise). Schon allein, dass sich mal jemand nur ihr zuwendet und nur für sie Zeit hat, hätte ja geholfen. Aber ihre Mutter erachtete das nicht für nötig.

Im Laufe des Praktikums habe ich Klara viel besser kennengelernt. Ich habe oft mit ihr in der OGS gespielt, wo sie wie ausgetauscht und total lieb war. Sie wurde bald auch sehr anhänglich. Irgendwann fing sie an, mehr Sachen für die Schule zu tun, wenn ich ihr dabei half. Zwar habe ich oft bestimmt die Hälfte der Aufgaben für sie gemacht (wir haben uns immer abgewechselt), aber das ist eindeutig besser, als wenn sie gar nichts macht!

Es war eine wirklich schöne Erfahrung zu sehen, wie sie doch noch ihr Potenzial nutzen konnte (denn intelligent war sie!) und sich mir so geöffnet hat! Sie wiederholt jetzt das dritte Schuljahr.

 

Zickenkrieg!

In der OGS gab es mehrere Kinder, die von einer anderen Grundschule kamen. Zwei davon waren Mädchen aus der ersten Klasse. Erste Klasse sei  hier betont. Man kann sich wirklich nicht vorstellen, wie zickig Erstklässler sein können und welch enormen Wortschatz an Schimpfwörtern sie besitzen! Manchmal gelang es mir nicht, die beiden sich auf brutalste Weise prügelnden und beschimpfenden (“F*ck dich!”) Mädchen auseinander zu kriegen. Dabei war das eine Mädchen zu mir immer so lieb und wir haben viel zusammen gespielt. Das andere hingegen war wirklich ein Frechdachs! Einmal, als ich sie aus einem Raum rausschickte, sagte sie doch tatsächlich zu mir: “Du bist nur eine Praktikantin, du hast mir gar nichts zu sagen!”. Trotzdem ging der Streit immer von beiden aus.

Wirklich unglaublich, zu was Erstklässler in der Lage sind!

 

Schwarz und weiß

Nein, ich rede nicht von mir und Tansaniern. :D Vielmehr will ich hier den Gegensatz zwischen zwei Flüchtlingskindern und deren Eltern darstellen.

Paul* war schon seit 1,5 Jahren in Deutschland. Trotzdem konnte er nicht besonders gut Deutsch. Mit 10 Jahren war er in der zweiten Klasse (von Alter her gehört er in die vierte Klasse). Mit seinen 10 Jahren hatte er, als ich kam, gerade mal vor drei Monaten gelernt, seinen eigenen Namen zu sprechen, konnte sich nur vier Buchstaben merken und man musste ihm jedes Mal aufs Neue erklären, wie man 2+2 rechnet.
Nach langer Zeit hat die Schule es endlich geschafft, dass mal ein Förderschulenmensch vorbeikommt, um ein Gutachten über Paul zu erstellen. Nun geht er endlich auf eine Förderschule, wo er angemessen lernen kann. (Diese deutsche Bürokratie immer…)
In seinem Herkunftsland ist er wohl nie zur Schule oder in den Kindergarten gegangen, sodass seine Intelligenz sehr darunter gelitten hat. Seine Eltern haben sich auch überhaupt nicht darum gekümmert, dass er hier zur Schule geht. Jeden Tag muss eine Sozialarbeiterin vorbeikommen, um Sturm zu klingeln, damit sich mal irgendwer erbarmt, sich aus dem Bett aufzuraffen und die Tür aufzumachen. Anschließend muss die Sozialarbeiterin die Kinder ankleiden, die Schultasche packen und die Kinder zur Schule fahren. Seine Mutter sieht gar keine Notwendigkeit, die Kinder in die Schule zu schicken.
Außerdem sehen sie einfach nicht ein, warum sie für die Ämter Formulare ausfüllen sollen. Obwohl die Sozialarbeiterin sich mehrmals mit den Eltern treffen wollte, um ihnen zu helfen, haben sie sämtliche Hilfe abgelehnt. Ansattdessen verloren sie einfach aus Versehen ihre Pässe oder die Frau wurde schwanger.
Wirklich, bei aller Liebe, ich bin dafür, dass Flüchtlinge hier eine gute Unterkunft und einen angemessenen Lebensstandard erhalten, denn sie wollen einfach genau so wie wir leben und/oder müssen schwierigen politischen Situationen entkommen! Aber bei so einer Familie habe ich einfach kein Verständnis mehr. Ich finde, sie sollten sich wenigstens darum kümmern, dass die Kinder zur Schule gehen, wenn es hier so vorgeschrieben ist, und die blöden Formulare ausfüllen. So schwer ist das doch nicht! Wenn sie das nicht schaffen und es ihnen egal ist, sind sie auch selbst Schuld, wenn sie nicht hier bleiben dürfen.

Jetzt das komplette Gegenteil. Anna* war erst drei Wochen, bevor ich kam, nach Deutschland gekommen. Sie war das liebste Mädchen! Ihre Eltern haben sie jeden Tag zur Schule gebracht und wieder abgeholt und hatten Verständnis dafür, wenn Anna für meine Deutschstunden etwas länger bleiben musste. Sie haben ihre Tochter wirklich sehr geliebt, das hat man gesehen.
Anna war einfach unglaublich! Nach diesen drei Wochen hat sie schon so viel verstanden und nach einigen Wochen hat sie selbst fleißig angefangen, etwas zu erzählen. Sie war sehr schüchtern, deshalb fiel es ihr etwas schwer, Anschluss zu finden.
In unseren Deutschstunden hat sie mit einer unglaublichen Ausdauer, Genauigkeit und vor allem Richtigkeit die Aufgaben gelöst. Obwohl ich ihr manchmal zugebenermaßen etwas viel aufgegeben habe, hat sie die Aufgaben immer gewissenhaft erledigt. Sie machte rapide Fortschritte. Nach der Deutschstunde haben wir immer ein bisschen gespielt, damit es ihr hier auch noch Spaß macht.
So machte auch mir das Lernen mit ihr Spaß!
Solche Kinder sollten belohnt werden! Vor allem ist es dann echt schockierend, dass solche netten Familien mit so viel Potenzial achtlos abgeschoben werden!
Sie wird mir sicher lange in positiver Erinnerung bleiben.

 

Die dreiste Nervensäge

Zum Schluss noch ein bisschen Dreistigkeit der Kinder. Da war ein Junge in der dritten Klasse, der manchmal echt dreist war. Er war zwar intelligent und hatte sicher Akademikereltern, aber Manieren hatte er echt keine.
In der Hausaufgabenbetreuung saß ich vorne an einem Tisch und er wollte, dass ich seine Hausaufgaben kontrolliere. Als ich ihm sagte, er solle herkommen, meinte er zu mir: “Du bist doch nur zu faul aufzustehen!” Wenn ich anfange, jedem Kind fürs Hausaufgabenkontrollieren hinterher zu rennen, dürfte ich mich wahrscheinlich eines sehr ausdauernden, muskulösen Körpers erfreuen…
Ein ander Mal wollte er (wie viele Kinder) einfach nicht einsehen, dass ich gerade dabei war, einem anderen Kind zu helfen, und rief alle zehn Sekunden (wirklich) nach mir, weil natürlich nur er in der Welt existiert. Wenn das fünf Kinder auf einmal machen, kann einem manchmal echt der Kopf platzen…
Irgendwann stand ich mal im Flur vor Beginn der Stunde vor den Klassenraum. Er sprang an mir vorbei und hüpfte vor mir herum und fragte, ob ich mich erschrocken habe. Als ich verneinte, trat er mir mit Absicht auf den Fuß und fragte, ob das wehgetan habe. Ist das zu fassen? Ohne Worte.

 

Fazit

Trotz der manchmal frustrierenden Ereignisse hat es wirklich Spaß gemacht und mich erfüllt. Er war toll, mit den Lehrern und Kindern zu arbeiten und ich war traurig, als es zu Ende war. Ich bin echt froh, dass ich diese Erfahrung machen durfte und werde Barbara wohl ewig dankbar für ihre Menschenkenntnis sein!

 

*) Name geändert

2 comments

  • Ich hätte wohl nicht so eine Geduld mit den Kindern gehabt – vor allem nicht mit denen, die offenbar überhaupt keinen Anstand und Respekt kennen… Leider vergisst man viel zu oft, was Lehrer (und insbesondere die, die jüngere Kinder unterrichten) alles aushalten müssen.

    • Ja, ich hätte mir die Geduld ja auch nicht zugetraut, aber in Anbetracht, der Tatsache, dass 90% der Erfahrungen positiv sind, sieht man wohl mal über die wenigen blöden Sachen hinweg. ^^ Und manche Kinder sind sonst so lieb und süß, dass man ihnen gar nicht böse sein kann. :D

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