Autorenvorstellung: Heinrich Heine (1797-1856)
Wenn ich an deinem Hause
Des Morgens vorüber geh,
So freut’s mich, du liebe Kleine,
Wenn ich dich am Fenster seh.
Mit deinen schwarzbraunen Augen
Siehst du mich forschend an:
Wer bist du, und was fehlt dir,
Du fremder, kranker Mann?”
Ich bin ein deutscher Dichter,
Bekannt im deutschen Land;
Nennt man die besten Namen,
So wird auch der meine genannt.
Und was mir fehlt, du Kleine,
Fehlt manchem im deutschen Land;
Nennt man die schlimmsten Schmerzen,
So wird auch der meine genannt.”
– Gedicht XII, aus: Die Heimkehr, 1823-1824
Heinrich Heine ist einer der bekanntesten, vielschichtigsten und am häufigsten zitierten deutschen Schriftsteller. Niemals stillsitzend bewegte er sich zwischen Deutschland und Frankreich, Romantik und Vormärz, schonungslosem Kampf gegen die missliebigen Zustände und tiefgreifendem Gefühl und nicht zuletzt Anerkennung und Ausgrenzung.
Gefeiert in In- und Ausland zog er von einem Ort zum nächsten und scheute dabei niemals den Stolz zu zeigen, mit der seine Karriere betrachtete. Schleichend ergriff ihn dann eine Krankheit, die ihn letzlich zu seiner letzten Lebensstation, der selbsternannten “Matratzengruft“, führte, in der sein Siechtum ein Ende fand.
Geboren wurde Heinrich Heine als Harry Heine am 13. Dezember 1797 in Düsseldorf als erstes Kind einer jüdischen Familie. Gemeinsam mit seinen drei Brüdern besuchte er bis 1815 das Lyzeum, ein ehemaliges Franziskanerkloster, auf der er eine solide Schulbildung genoss.
Wie sein Vater und sein schwerreicher Onkel Salomon sollte Heine Kaufmann werden und besuchte daher eine Handelsschule, woran sich ein kaufmännisches Praktikum in Frankfurt am Main anschloss.
Heine lag jedoch anderes im Sinn: Angeregt durch Lektüren von Ludwig Uhland (1787-1862) oder Friedrich de la Motte Foqué (1777-1843), war es sein Verlangen, Romantiker zu werden.
Von 1816 bis 1819 arbeitete er als Kaufmann in Hamburg, wo ein Großteil seiner Verwandtschaft lebte, aber ihm fehlten Interesse und Begabung an diesem Beruf. Der Wunsch hingegen, als Dichter sein Leben verbringen zu können, wurde stärker. Tatsächlich schrieb er in dieser Zeit die ersten Gedichte, die bereits sehr viel von der Sehnsucht und Emotionalität an sich haben, für die Heine später gefeiert wurde. Gleichzeitig zeugen Briefe, die er schrieb, von dem Sarkasmus und der Kritikfähigkeit, die seinem Wesen inneliegen und ihn ebenso auszeichneten.
1819 löste sich Heine endgültig vom ungeliebten Beruf und begann in Bonn ein Jurastudium. Dazu gehörten auch philosophische, historische und philologische Vorlesungen, letztere sogar von dem berühmten Romantikerphilosophen A. W. Schlegel (1767–1845) .
Im Jahr darauf trat der junge Student einen letzten Besuch in seiner Geburtsstadt an. Seine Familie war nach dem finanziellen Bankrott der Firma seines Vaters Richtung Hamburg gegangen und nur noch wenige Freunde und Verwandte lebten dort. Er plante, sein Studium in Göttingen fortzusetzen, allerdings hinderte ihn ein Pistolenduell und die anschließende Verbannung von der Universität daran, weshalb er 1821 nach Berlin ging und zunächst dort weiter studierte und von G.W.F. Hegel (1770-1831) unterrichtet wurde. In der preußischen Hauptstadt schien sich für den jungen Dichter eine neue Welt zu eröffnen. Er traf den berühmten Forscher Alexander von Humboldt (1769-1859), Schriftsteller wie C.D. Grabbe (1801–1836) und Adelbert von Chamisso (1781-1838) und fand in Rahel Varnhagen von Ense (1771-1833), die wie Heine ebenfalls jüdischer Abstammung war, und ihrem Mann Karl August (1785-1858), lebenslange Gefährten. Seine beiden Tragödien “Guglielmo Ratcliff” und “Almansar” erschienen (allerdings mit mäßigem Erfolg) und weitere Gedichte wurden publiziert.
Nach einer Polenreise 1822 und einem Besuch in Lüneburg, wo seine Familie inzwischen wohnte, setzte er 1824 sein Studium in Göttingen fort. Im Sommer desselben Jahres führte ihn eine Fußwanderung durch den Harz, wo den Brocken erstieg, Orte wie Halle und Jena besuchte und schließlich bei Goethe (1749-1832) in Weimar ankam, der von dem jungen aufsteigenden Schriftsteller nicht besonders angetan war. Heine schrieb danach seine Erlebnisse in seinem Werk “Harzreise” nieder.
Kurz vor seiner Promotion ließ sich Heine christlich auf den Namen Christian Johann Heinrich taufen, sodass eine Möglichkeit auf ein öffentliches Amt bestand, die man als Anhänger einer der christlichen Religionen leichter erhielt. Gleichzeitig erhoffte er sich von diesem Schrift Anerkennung, wobei seine jüdische Abstammung ihn noch über seinen Tod hinaus begleitete.
1825 begann für Heinrich Heine gewissermaßen eine Zeit der Freiheit, in der er sich seinem Schriftstellertum widmen konnte. Jurist wurde er freilich nicht; stattdessen lebte er in Lüneburg und Hamburg und befreundete sich mit dem Verleger Julius Campe (1792-1867), unter dem er seine Werke herausgab. Dazu gehören 1826 der erster Band der Reisebilder mit dem berühmten Loreleigedicht, der Harzreise, den Gedichten der Heimkehr, sowie dem Gedicht über die Nordsee sowie im folgenden Jahr das “Buch der Lieder”, das zu seinem bekanntesten Werk avancierte und noch zu Lebzeiten dreizehn Auflagen erreichte.
Dass diese Publikationen nicht leicht waren, war der 1819 infolge der Karlsbader Beschlüsse beschlossene Pressezensur zu verdanken. Heine hatte seine ganz eigene humoristische Art, mit ihr umzugehen: Sein 1827 erschienenes Werk “Die deutschen Zensoren” besteht nur aus Zensurstrichen – das Wort “Dummköpfe” ausgenommen.
Neben seiner Schriftstellerei übte sich Heine 1828 kurzzeitig als Redakteur der Cotta’schen Zeitung in München und bewies dort seine schriftstellerischen und journalistischen Fähigkeiten.
Geprägt waren diese Jahre auch von außerdeutschen Reisen durch England, Holland und Italien, die aufgrund des Todes seines Vaters abgebrochen werden musste. Diese Reisen dienten ihm nicht nur als Erholung, sondern ebenfalls als Stoff für neue Werke, in denen er seine Erfahren mitteilte.
1831 entschloss sich der Vielreisende Heine für einen unbegrenzten Aufenthalt in Paris, das für ihn die Welthauptstadt und die Verkörperung der humanen Ideale schlechthin darstellte. Es war kein spontaner Entschluss, der den Dichter dazu beflügelte, vielmehr hatten die Julirevolution 1830 und die drückende Zensur ihn schon länger dazu angetrieben, über einen weiteren Ortswechsel nachzudenken. Daran, dass er sein restliches Leben – immerhin 25 Jahre – dort aushalten würde, hatte der Empfang und die allgemeine Kultur in Frankreich maßgeblichen Anteil. Schnell fand er Anschluss bei namhaften Leuten wie Franz Liszt (1811-1886), Frederic Chopin (1810-1849), Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847), Victor Hugo (1802-1885), Alexandre Dumas (1802-1870), Honore de Balzac (1799-1850), Karl Marx (1818-1883) und gewann eine große Bekanntheit im Land. Auch Ludwig Börne (1786-1837), einen ehemaligen Weggefährten und nun Konkurrenten, der sich ebenfalls in Paris niedergelassen hatte und ähnliche Ziele wie Heine verfolgte, traf er wieder.
Heine fühlte sich wohl in einem Land, das sich so sehr von dem restaurierten, zersplitterten und zensierten Deutschland.
“Ich liebe sogar im Grunde das Deutsche mehr als alles auf der Welt, ich habe meine Lust und Freude daran, und meine Brust ist ein Archiv deutschen Gefühls […]”, in einem Brief vom 07.03.1824
Heine vergaß seine geliebte Heimat jedoch nicht. Er sah sich als ein Vermittler zwischen Frankreich und Deutschland, indem er durch Übersetzungen seiner Werke und zu diesem Zwecke bestimmten Schriften die jeweilige Kultur der anderen näherbringen wollte. Besonders “Die romantische Schule” von 1836 kann als Beispiel für solch ein Werk genannt werden, in dem die deutsche Literaturgeschichte betrachtet wird.
Aus seinem Pariser Exil beobachtete er akribisch die politischen Vorgänge in Deutschland. Als 1835 das “Junge Deutschland”, also die Werke bestimmter liberal gesinnter Schriftsteller, zu denen auch Heine gezählt wurde, verboten wurde, traf ihn das sehr. Trotz Spionage und Zensur ließ er sich nicht entmutigen.
In den Jahren 1843/44 betrat Heine zum ersten Mal nach über zehn Jahren wieder deutschen Boden und besuchte seine Familie in Hamburg. Seine Reise nutzte er für sein Versepos Deutschland. Ein Wintermärchen, in dem er einerseits Kritik an der Zensur und der politischen Unterdrückung übt und andererseits seine Heimatsehnsucht zum Ausdruck bringt. Die Veröffentlichung seines politischen Gedichts “Die schlesischen Weber” 1844 führt zum Haftbefehl in Preußen gegen Heine, sodass er sich dort nicht mehr gefahrlos blicken lassen durfte.
Der letzten Abschnitt seines Lebens wurde durch einen langwidrigen Streit um das millionenschwere Erbe seines Onkels engeleitet, der einherging mit den immer deutlicher werdenen Krankheitserscheinungen, die Heine von weiteren Reisen abhielten und ihn in Paris fesselten.
Zuletzt konnte Heine seine “Matratzengruft” kaum noch verlassen und musste von seiner Frau “Mathilde” Crescence Mirat (1815-1883), die er 1841 geheiratet hatte, gepflegt werden. Briefe, Manuskripte und Besuche seiner Geschwister waren seine einzige Aufmunterung.
Am 17. Februar 1856 führte eine Überdosis Morphium schließlich zum Tod des 58-Jährigen.
Wenn man heutzutage nach Romantikern fragt, wird Heinrich Heine als einer der ersten genannt. Fragt man nach Literaten des Vormärz, wird neben Georg Büchner (1813-1837) ebenso Heinrich Heine aufgeführt. Wo gehört er nun hin?
Heine ist wohl das beste Beispiel dafür, dass sich Schriftsteller nicht immer problemlos einer Epoche zuschreiben lassen, denn in ihm vereinen sich Poesie, Weltflucht und das Vergängliche der Romantik mit dem Politischen, Fordernden und Zukunftsorientierten des Vormärz.
Man braucht nicht einmal zwei unterschiedliche Werke von ihm zu vergleichen, um das zu bemerken. Selbst das herzzerreißendste Gedicht wartet mit satirischen Bemerkungen, mit eine plötzlichen “Twist” am Schluss auf. Er schafft es, Gefühle, Humor und Spott in einem Gedicht unterzubringen. Das ist Heinrich Heine. Das macht ihn aus.
Dabei reicht seine vielfältige Palette von reiner Kritik…
“Und als ich euch meine Schmerzen geklagt,
Da habt ihr gegähnt und nichts gesagt;
Doch als ich sie zierlich in Verse gebracht,
Da habt ihr mir große Elogen gemacht.”
…über Humoristisches,
“Und bist du erst mein eh’lich Weib,
Dann bist du zu beneiden,
Dann lebst du in lauter Zeitvertreib,
In lauter Pläsier und Freuden.
Und wenn du schilst und wenn du tobst,
Ich werd es geduldig leiden;
Doch wenn du meine Verse nicht lobst,
Lass ich mich von dir scheiden.”
…bis zu den hochgefühlvollen Gedichten:
“Am Kreuzweg wird begraben,
Wer sich selber brachte um;
Dort wächst eine blaue Blume,
Die Armesünderblum.
Am Kreuzweg stand ich und seufzte;
Die Nacht war kalt und stumm.
Im Mondlicht bewegte sich langsam
Die Armesünderblum.”
(Aufgrund des begrenzten Platzangebotes hier kann ich nur eine begrenzte Auswahl an kurzen Gedichten aufführen. Es wird sicher noch treffendere Beispiele geben.)
Ist er deshalb ein Mann der Gegensätze? Oder der vielzitierte “Überwinder der Romantik ?
Heine war “anders”, wenn es darum ging, seine Meinungen und Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Im Gegensatz zu anderen namhaften (Früh-)Romantikern wie Novalis oder Tieck trug er seine Gedanken nicht mit sich in seiner kleinen eigenen Welt, sondern machte sie publik; er schrie sie förmlich den Unterdrückern und Zensoren ins Gesicht.
Inspiriert von der Französischen Revolution und Napoleon, den er zeitlebens verehrte, wollte er die Menschenrechte und Ideale von Gleichheit, Anerkennung und Freiheit, umgesetzt sehen.
Dabei ging er anders vor als der Zeitgenosse Georg Büchner. Statt Dramen und langen Romanen schrieb Heine Gedichte, Versepen und Prosatexte. Seine Werke waren unmittelbar und sollten Nähe zum Lesenden schaffen, ohne zu offensichtlich zu werden.
Heinrich Heine besaß eine eigene, unverkennbare Art. Gewiss war auch er ein Kind der Zeit, das von den Erfahrungen tief geprägt wurde. Er war eben eine andere Art Romantiker; vielleicht auch der, der diese rückwärtsgewandte Epoche aufgrund der Probleme der Zeit auf den Höhepunkt geführt und sie mit auf neue, zeitorientierte Wege genommen hat.
Nie blieb er sesshaft, sondern bereiste als Kosmopolit beinahe halb Europa und sammelte dabei Eindrücke, Bekanntschaften und erntete bereits zu Lebzeiten seinen bis heute ungebrochenen Ruhm.