Wunderschöne Landschaft Tansanias

Das Ende meiner (physischen) Grenzen: Leben am Limit

Heute möchte ich vom anstrengendsten Tag meines Lebens berichten: Von Samstag auf Sonntag habe ich nämlich spontan bei Leila und Kathi in Kisa übernachtet. Ich wollte mich gerade waschen, als sie plötzlich vor meiner Tür standen. Ihr begleitender Father Steven hat dann einfach für mich beschlossen, dass ich jetzt mitkomme und er mich morgen zurückbringt. Das war zwar ziemlich kurzfristig, aber wir haben uns natürlich gefreut!

Da es schon spät war, haben wir in Kisa aber eigentlich nur noch gegessen und ein bisschen gequatscht. Am nächsten Tag sind wir dann um 8 Uhr zu einer Messe auswärts gefahren. Jedenfalls Leila und ich. Kathi hatte über eine Stunde lang Nasenbluten und musste sich Adrenalin in die Nase tun, damit es aufhört (haben die Ärzte ihr gegeben). Deshalb konnte sie nicht mitkommen (zum Zeitpunkt des Losfahrens war es noch in vollem Gange).

Triumph über die Ankunft in der Kirche

Triumph über die Ankunft in der Kirche

Darüber, dass sie nicht mitgekommen ist, konnte sie sich auch echt glücklich schätzen! Nach einer viertelstündigen Autofahrt mussten wir nämlich eine Stunde lang erst mal durch die Pampa wandern! Es war ziemlich warm und bergig, sodass es immer sehr steil bergauf und bergab ging. Nach einer Weile fingen unsere Knie an vor Anstrengung zu zittern und wir waren echt froh, als wir endlich da waren. Da war eine Minikirche aus Erde mit einem riesigen Loch und einem Haufen Erde auf der rechten und sechs kleinen „Bänken“ (Bretter auf Steinen) auf der linken Seite. Vorne stand ein alter, kleiner Holztisch als Altar und Father Steven hat Wein, Kelche und Hostie selbst mitgebracht. Der Gottesdienst dauerte nur eine Dreiviertelstunde, allerdings haben die danach erst mal noch eine halbe Stunde über den Bau einer neuen Kirche gequatscht (was auch immer man da so viel zu sagen kann… und warum auch immer man mitten in der Pampa in einem Zwanzig-Seelen-Dorf überhaupt eine neue Kirche braucht).

Danach haben wir uns dann auf den beschwerlichen Rückweg gemacht. Der war wirklich sehr beschwerlich! Da es jetzt mittags war, schien die Sonne heiß auf uns herunter und wir liefen einen anderen Weg, der im Gegensatz zum Hinweg, der halb durch den Wald lief, fast komplett in der Sonne lag. Zudem hatten wir zum Frühstück gerade mal eine halbe Tasse Tee getrunken (um 7 Uhr, beim Rückweg war es etwa 12 Uhr) und seitdem nichts mehr.

Leila und ich im Busch

Leila und ich im Busch

Am Anfang war es noch ganz schön. Zwar heiß, aber die Landschaft war echt traumhaft! Überall grüner, fruchtiger Regenwald, wo man auch hinsah. Sonst ein paar vereinzelte Dörfer. Als wir einmal durch ein ausgetrocknetes, steiniges Flussbett durch ein Stück Regenwald liefen, wurde es plötzlich so unglaublich laut vom Zirpen der Zikaden, dass man sein eigenes Wort kaum verstehen konnte. Nachdem Father Steven ein Foto von mir und Leila gemacht hatte, dachte ich mir: „Wow. Vor ein paar Monaten habe ich ein Buch gelesen, dass im Kongodschungel spielte, und ich wollte unbedingt da sein. Mein Traum war es immer, einmal durch den Regenwald zu laufen. Und jetzt bin ich hier.“ (Dieses Buch war übrigens „Im Bann der Masken“ von Isabell Allende – eine sehr empfehlenswerte Buchreihe!)

Danach liefen wir dann aber eine Stunde durch die Berge, während die Sonne heiß und unbarmherzig auf uns herabbrannte. Vor Durst wurden unsere Münder ganz klebrig und die Lippen staubtrocken. Ständig von der Angst geprägt, sich aufgrund der fehlenden Sonnencreme einen fetten Sonnenbrand zu holen oder noch schlimmer aufgrund des fehlenden Huts einen Sonnenstich, schleppten wir uns erschöpft voran, immer hin und her gerissen zwischen dem Wunsch nach Wasser, Schatten, einer Pause oder einfach direkt auf der Stelle zu sterben.

Irgendwann wurde uns schwindelig und schlecht und jeder einzelne Schritt war eine Überwindung. Langsam und kraftlos schleppten wir uns voran, die steilen Berghänge hinauf und hinab in der Erwartung jeden Moment hinzufallen. Schon bald murmelten wir im Kopf ein Tantra aus „Du darfst jetzt nicht umkippen… nein, du musst nicht kotzen… bleib hier…“ vor uns hin und sehnten das Ende der Reise herbei, doch der Berg, auf dem unser Ziel lag, schien einfach nicht kleiner zu werden.

Aber irgendwann hatten wir es geschafft. Mit letzter Kraft kletterten wir den letzten Berghang hinauf, während ich echt dagegen ankämpfen musste, nicht zu kotzen oder umzukippen oder beides nacheinander oder im schlimmsten Fall gleichzeitig (und dann zu sterben). Als wir oben ankamen, ließen wir uns direkt auf den Rasen fallen und konnten keuchend keinen Schritt weitergehen. Alles zitterte und schmerzte. Sogar die Arme, als wären wir die ganze Strecke auf den Armen gelaufen. Wir konnten kaum mehr sprechen vor Übelkeit, Schwindel und Durst.

Im Endeffekt musste Father Steven mit dem Auto direkt vor uns fahren und selbst das Einsteigen erschien uns in dem Moment zu viel. Aber wir brachten es hinter uns, fuhren zum nächsten Laden, kauften dort Pepsi und Wasser und rehydrierten uns.

Leila und ich vor besagtem ausgetrocknetem Flussbett

Leila und ich vor besagtem ausgetrocknetem Flussbett

Während wir vollkommen erschöpft nebeneinander auf einem Sitz saßen und wild hin und her geschunkelt wurden, waren wir uns einig, dass das mit Abstand das Anstrengendste war, was wir je gemacht haben und je machen werden. Außerdem waren wir echt sauer, da wir es von Father Steven für ziemlich unverantwortlich hielten, uns ohne Sonnencreme, Sonnenhut und Wasser so durch die Berge zu scheuchen! Ich glaube, wir können uns echt glücklich schätzen, keinen Sonnenstich bekommen zu haben! Wahrscheinlich konnte ich das hier nicht so richtig rüberbringen, aber es gibt auch einfach keine Worte dafür, wie unheimlich uns das ausgelaugt hat. Das waren echt die Grenzen. Nein, es war eigentlich über der Grenze. Ich bin mir ziemlich sicher: Wenn nicht gerade irgendwo, wo ich bin, ein Krieg ausbricht oder ich vor irgendwas wegrennen muss, werde ich nie wieder so etwas Anstrengendes erleben! Und dann muss man sich mal vorstellen, dass Flüchtlinge solche Strecken jeden Tag wochenlang den ganzen Tag laufen ohne Essen und Trinken, ein Dach über dem Kopf und mit nur wenig Hoffnung. Die ganzen Menschen, die gegen Flüchtlinge sind, sollen mal selber solche Strecken laufen! Jetzt, wo ich selbst einen Bruchteil der Anstrengungen kenne, die diese Menschen täglich durchmachen müssen, macht mich dieser Flüchtlingshass noch wütender! Aber darüber will ich hier jetzt nicht diskutieren…

 

So viel zu dem anstrengendsten Tag meines Lebens… Auch wenn es in dem Moment alles andere als witzig war, ist es jetzt schon irgendwie eine lustige Erfahrung und eine nette Geschichte… Immerhin war die Landschaft schön und ich bin durch einen Regenwald gelaufen!

Und als ich am Abend wieder nach Hause in Tukuyu kam, wusste ich, dass ich angekommen bin. In der kurzen Zeit von einer Übernachtung habe ich die Schwestern und mein Zimmer irgendwie echt vermisst. Was komisch ist, denn wenn ich in Deutschland mal wo übernachtet habe, habe ich zu Hause ja auch nicht vermisst. Und es war echt schön mit Leila und Kathi! Trotzdem habe ich mich sehr gefreut, die Schwestern wiederzusehen und sie sich auch. Das war ein toller Moment und ich wusste, dass ich jetzt hier zu Hause bin!

Ich hoffe, es geht euch allen gut! Vielen Dank, dass ihr mir mit euren Spenden diese langen, erschöpfenden, gefährlichen, dehydrierenden Reisen und den Muskelkater meines Lebens ermöglicht! :D Das erlebt man auch nur einmal in seinem Leben…

2 comments

  • Du kannst echt spitzenmäßig schreiben !
    Danke, dass ich an Deinen Erlebnissen so lebendig teilnehmen darf.
    Herzliche grüße
    Brigitte

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