Der tägliche Buswahnsinn
Eine Busfahrt, die ist lustig, eine Busfahrt, die ist schön… Ein entschiedenes Nein kann ich dazu nur sagen. Hier im Gebiet wird die tägliche Fahrt in die Schule zum Schauplatz zahlreicher wunderlicher Geschichten. Wenn man nicht gerade in dem Ort wohnt, in dem sich die Schule befindet, und nicht so alt ist, um selbst schon Auto zu fahren, hat man morgens täglich das Vergnügen, sich mit mehr als vierzig anderen Leuten in einen Bus mit schlechter Luft zu quetschen. Langeweile kommt da bei weitem nicht auf. Im Folgenden möchte ich darstellen, wie ich dies täglich erlebe.
Die Bushaltestellen
Man braucht den Bus nicht einmal betreten, um etwas zu finden, was zu kritisieren ist. Oft bieten die Bushaltestellen mangelnde Infrastruktur, d.h. keinen Platz zum Unterstellen, sondern lediglich das schmale Stück Bürgersteig. Bänke sind nur selten vorhanden, Fahrpläne alt und beschmiert. Die zentrale Bushaltestelle meines Wohnortes bestand jahrelang aus dem Parkplatz einer uralten, verfallenen Tankstelle, die bereits in den Sechzigern außer Betrieb ging, und dessen löchriges Unterstelldach als Schutz vor Regen diente. Erst zehn Jahre mussten vergehen, damit diese alte Tankstelle abgerissen und die Haltestelle von Grund auf saniert wurde.
Die morgendlichen Fahrten
Man kann von Glück sprechen, morgens überhaupt in den Bus hineinzukommen – wenn er denn kommt. Zuverlässig sind die Busse jedenfalls nicht, im Winter noch weniger. Rücksichtslos drängeln und quetschen muss man, um eine Chance zum Mitfahren zu bekommen. „Weiter, weiter. Durchgehen!“ rufen die meist ausländischen Busfahrer, die kaum ein Wort Deutsch sprechen, um auch den letzten armen Schüler noch in den Bus zu hieven, obwohl dieser bis hinten voll ist und seine Maximalladung längst überschritten hat. Wenn dann doch mal ein Schüler wieder nach draußen geschickt wird, hat dieser noch die Möglichkeit eines zweiten, ebenso vollen Busses, der einige Minuten später kommt. Jener Bus ist allerdings die letzte Gelegenheit, noch auf dem direkten Weg zur Schule zu kommen. Zu allen anderen Zeiten ist es vonnöten, umzusteigen.
Im Bus
Das Bild, dass sich dann im Bus bietet, ist erschreckend. Leider schafft es die regionale Busgesellschaft nicht, auf dieser Strecke morgens größere Busse einzusetzen, sodass Schüler zusammengepfercht auf engstem Raum stehen, kaum Luft und krumme Rücken bekommen bei dem Versuch, sich an irgendeinem Sitz oder einer Stange festzuhalten, um nicht umzufallen. Erschwert wird dieser Versuch, wenn im Winter im Bus die Lichter ausfallen und man komplett im Dunkeln steht. So dienen manchmal auch andere Leidensgenossen als Mittel, um sich festzuhalten. Türen gehen nicht mehr richtig auf und zu, weil Schüler so dicht daran stehen – an ein vorzeitiges Aussteigen ist nicht zu denken. Nothammer fallen aus ihren Verankerungen, weil Schüler mit den Ranzen dagegen kommen. Dies führt dann dazu, dass während der gesamten Busfahrt ein schrilles, unaufhörliches Piepsen ertönt, dass sogar der Busfahrer die Geduld zu verlieren scheint. Inmitten dieser Menge fühlt man sich abgefertigt wie die Tiere auf dem Weg zur Schlachterei.
Der Weg zurück
Auf dem großen Busbahnhof halten sich nach der Schule an sieben Bushaltestellen mindestens fünfhundert Schüler auf, die auf den Bus angewiesen sind, sodass das Chaos kaum größer sein konnte. Mittags bekommen wir nur einen Bus gestellt, dafür einen Gelenkbus, wodurch sogar regelmäßig alle Schüler mitfahren können.
Modern sind die Busse dafür allerdings nicht. In einem der eingesetzten Busse ist die Farbe der
Sitzpolsterungen stark verblichen und teilweise verstaubt und an den Hinweisschildern sind die Geldbeträge noch in D-Mark angegeben. Mit mit dem cholerischen Busfahrer, der regelmäßig die Schüler zusammenschrie, verschwand vor einigen Jahren dieser Bus. Der nächste war übrigens vom selben Modell. Der einzige Unterschied? Die Sitze waren nun grau und die Schilder entfernt.
Sitzplätze
Sitzplätze sind sehr beliebt und um einen zu bekommen, muss man sein Leben riskieren. Ich übertreibe nicht, denn das Einsteigen in diesen Bus kann u.U. gefährlich werden. Um in dem Bus zu kommen, muss man zunächst das schlangenförmige Stahlgitter, passieren. Die Menschen vergessen sich dabei selbst, Rücksicht ist manchen ein Fremdwort. Sie werden zu einer wild gewordenen Horde, zu Tieren, um um jeden Preis in diesen Gitter gekommen. Von allen Seiten wird gedrückt, gedrängelt, gequetscht und geschoben. Man hat noch Glück, wenn man selbstständig stehen kann und nicht zwischen anderen eingeklemmt in der Luft hängt.
Ab und zu sieht man einen kleinen Fünftklässler aus diesem Gemenge blitzen, aber nur kurz, denn danach ist er wieder in der Flut verschwunden. Schmerzensschreie sind zu hören, und jammernde Schüler, deren Rucksäcke und Taschen sich irgendwo verhakt haben. Große schrien Kleine an, die ihrerseits auch wieder zurückbrüllen.
Hin und wieder sieht man auch einen Lehrer, der verzweifelt versucht, die Meute zu trennen und die Übeltäter aus dem Verkehr zu ziehen. Doch entweder bekommt dieser arme Lehrer einen Mittelfinger gezeigt oder wird gleich mitgeschoben. Die Lehrer, die es probieren, versuchen es lauthals und mitunter mit Gewalt, was aber genauso wenig sinnvoll ist.
Als Außenstehender ist nicht möglich, die ganze Zeit in sicherer Entfernung zu stehen und dem Treiben zuschauen, man muss schnell sein, um ebenfalls in den Bus zu kommen. Denn an dieser Bushaltestelle hält danach noch ein anderer Bus, welcher in einen anderen Ort fährt. Es ist also nicht nur doppelt voll, sondern es gibt auch einige, vor allem kleine Schüler, die sich schon in das Gitter drängen, auch wenn deren Bus noch gar nicht da ist und noch nicht alle anderen Schüler in den ersten Bus eingestiegen sind. Und es ist wirklich schwer, an diesen kleinen Kindern mit den großen Ranzen vorbeizukommen, auch wenn man noch so dünn ist. Während man mit der Masse mitgeschoben wird, denkt man dann über die unlösbare Frage nach, was das alles soll.
Ende und Beginn
Am Schuljahresende und jedem Ferienbeginn ist es besonders schlimm. An diesen Tagen hat jeder nach vier Stunden Unterricht frei; dafür sind die Busfahrer nicht gewappnet. Das Busfahren an diesen Tagen ist wie ein Glücksspiel. Man weiß nie genau, ob ein extra Bus kommt oder nicht, ob man es in diesem riesigen Geknäule in den Bus schafft oder man eine Stunde auf den nächsten Bus warten muss, dessen Busfahrer sich dann wundert, warum es heute so leer ist.
Wirklich grotesk wird es dann, wenn man sich das ganze Prozedere aus der Ferne anschaut. Man sieht einen Bus, in den sich alle Schüler hineindrängen, weil sie Angst haben, nicht nach Hause zu kommen. Dahinter noch zwei Busse, in die ein paar Schüler einsteigen und dahinter dann etliche Gelenkbusse, die teilweise leer wieder wegfahren. Manchmal sieht man auch einen leeren Bus an einer Bushaltestelle stehen. Komplett leer, also auch ohne Busfahrer.
Mit dem Betreten des Busses ist es aber noch nicht getan. Man müsste normalerweise ja annehmen, dass ein Busfahrer weiß, was er macht und wohin er fährt. Dies ist aber nicht immer so. Ohne die freundlichen Hinweise anderer Schüler wären wir schon ganz andere Routen gefahren.
Man kann es den Busfahrern aber eigentlich nicht verübeln. Schließlich steht oftmals außen auf den Anzeigen wahlweise gar nichts, nur verpixelte Buchstaben oder ganz andere Orte; manchmal auch der Hinweis „Mehr Informationen im Internet“ und dann eine Webadresse. Wie soll da also der Busfahrer wissen, wohin er muss? Internetverbindung gibt es in einem Bus schließlich nicht.
Pannen
Tatsächlich gibt es auch manche Busfahrer, die vernünftig Deutsch sprechen, pünktlich kommen und auch wissen wo es hingeht. Dumm nur, wenn einem unterwegs der Sprit ausgeht. Dann muss der Bus nämlich notgedrungen an einer Haltestelle halten. Im nächsten Bus ist es dann tatsächlich nicht mehr so erdrückend voll, denn einige Schüler haben sich bereits zum nächsten McDonalds geflüchtet, der nur wenige hundert Meter von der Bushaltestelle entfernt liegt. McDonalds. Der Zufluchtsort überhaupt für alle alleingelassenen Schüler.
Fazit
Kaputt, zu eng, zu wenig – nichts ist unmöglich. Die Busfahrten machen einen verschwindend geringen Teil eines Schülerlebens aus, trotzdem sollte man erwarten können, für das bezahlte Fahrkartengeld auch sicher an den gewünschten Ort kommen zu können. Doch die Erfahrung hat gezeigt, dass sich auch in nächster Zeit nichts ändern wird. Wahrscheinlich würde auch ein Unfall zu keinen Änderungen führen. Man könnte glatt darüber lachen, wenn es nicht so traurig wäre.
Mich nervt das so sehr. Vor allem bei Bussen die früher kommen, aber dann doppelt so lange warten, weil sie denken, dass dann noch ein Schüler kommt. Aber auch wenn keiner kommt, wartet er einfach 10 Minuten weiter. Oder wenn die Busfahrer morgens einen anschreien weiter zugehen, obwohl man so weit ging wie möglich und es die Hinterperson ist die nicht weitergehen will.