Die anderen Einsatzstellen der Mbeya-Region: Kisa, Kyela und Mshewe

Mittlerweile habe ich jede Einsatzstelle in der Mbeya-Region besucht und möchte hier mal davon berichten, wie die anderen leben und was wir zusammen erlebt haben.

 

Kisa

In Kisa, wo Kathi und Leila wohnen, war ich jetzt schon mehrmals. Mit dem Daladala[1] fahre ich von Tukuyu aus nämlich nur zehn Minuten nach Ushirika, um von dort aus weitere zehn Minuten mit dem Pikipiki zu den Freiwilligen zu fahren. Kathi und Leila haben mittlerweile auch einen Stamm-Pikipikifahrer, der schon jedes Mal, wenn er uns sieht, angefahren kommt und uns ohne Kommentar zu den Pfarrer fährt, wo Kathi und Leila wohnen.

Die beiden teilen sich ein Zimmer und haben ihr eigenes, kleines Bad mit einer europäischen Toilette und einem Waschbecken. Da sie aber kein fließendes Wasser haben, gibt es natürlich keine Spülung und das Waschbecken hat nicht einmal ein Wasserrohr. Daher steht unter dem Waschbecken ein Auffangeimer. Aufrund der fehlenden Spülung und dem schlechten Zustand des Klos, bin ich eigentlich sehr froh über mein Loch im Boden! Des Weiteren sind die beiden sehr oft alleine, weil die Pfarrer viel zu tun haben. Das macht aber nichts, denn die beiden haben in dem englischen Internat, in dem sie arbeiten, selbst alle Hände voll zu tun mit unterrichten, korrigieren, Unterricht vorbereiten und sich um die Kinder kümmern. Sie müssen manchmal sogar abends bis um zehn Uhr und jeden Samstag arbeiten. Wenn ich das mal mit meinen drei Stunden Vorschule am Tag vergleiche … es herrscht schon ein deutliches Arbeitsgefälle!

Kisa an sich ist sehr schön, denn es liegt mitten in der Pampe zwischen Bananenstauden, ist sehr klein und nur über einen steinigen Weg voller Schlaglöcher zu erreichen, auf der man sich im Auto wie in einer Waschmaschine fühlt.

In der Nähe soll es auch einen sehr schönen Wasserfall geben, an dem ich selbst aber noch nicht war.

 

Kyela

Kyela ist von Tukuyu aus mit dem Daladala etwa zwei Stunden entfernt. Dort leben Anna und Sarah. Auch wenn Kyela nicht so groß wie Tukuyu ist, gibt es dort einen großen Markt und viele kleine Geschäfte, bei denen man genauso viel wie in Tukuyu bekommt. Im Gegensatz zum kalten, verregneten Tukuyu ist Kyela sehr heiß und sonnig. Im Garten der Schwester, bei denen die beiden Freiwilligen wohnen, gibt es jede Menge Mangobäume!

Sarah und Anna teilen sich ein recht großes, schönes Zimmer. Sie wohnen mit zwei Schwestern zusammen, von denen eine sehr alt ist und immer super leckeren Mangosaft macht. Die beiden haben wie ich auch nur ein Loch im Boden als Klo und müssen dafür den Innenhof durchqueren. Außerdem gibt es kein fließendes Wasser, es wird aus einem Brunnen im Boden geschöpft. Dieses abgekochte Wasser ist zum Trinken geschmacklich echt eklig und manchmal schwimmen noch Erdbestandteile darin herum … Da bin ich froh über mein meist recht gutes abgekochtes Wasser!

Als ich dort war, haben wir uns erst einmal den Markt angesehen. Bei der Gelegenheit habe ich mir die Haare an der Seite für 1000 tsh[2] flechten lassen, aber leider sind die Zöpfe schon nach zwei Tagen wieder aufgegangen, weil unsere europäischen Haare dafür ohne Zopfgummi zu weich sind.

Abends sind wir auf ein Jubiläum eines Chors gegangen. Allerdings wurden unsere Erwartungen von schönem Gesang schwer enttäuscht! Im Grunde war das Ganze nur eine Aktion, um Geld zu sammeln. Die ganze Zeit haben Leute irgendwelche für uns unverständlichen Reden halten und jede einzelne Person auf diesem Abend ist einzeln nach vorne gegangen, um sich vorzustellen und dem Chor Geld abzuliefern. Jedes Mal, wenn die Leute nach vorne gegangen sind, kam der ganze Chor ebenfalls nach vorne und ist wie eine Horde wilder Hunde um die entsprechende Person rumgehüpft. Es wurde geschrien, getanzt und nicht selten wälzte sich die ein oder andere Person auf dem Boden rum und wurde von den anderen in ein Stück Stoff eingewickelt. Verstört ließen wir das Geschehen über uns ergehen und uns war dabei so langweilig, dass wir uns irgendwann nur noch darüber unterhielten, welche Unterwäsche wir bei Männern am liebsten mögen. Der Abend ging echt ewig: Von acht bis zwei Uhr nachts saßen wir auf den Stühlen und rasteten zunehmen innerlich aus ohne Aussicht auf Rettung. Für eine Sache hat es sich allerdings gelohnt: Kurz vor Beendigung der seltsamen, verstörenden und langweiligen Veranstaltung gab es total leckeren Pilau[3], Huhn und Chili.

Außerdem haben Anna und ich Sarah zu ihrem Chor begleitet und dort mitgesungen. Die Stimmen Tansanias sind echt der Hammer!

Irgendwann kam ein Mann ins Wohnzimmer, während Sarah, Anna und ich dort saßen und uns unterhielten. Er fragte uns äußert unangenehme Dinge, wie warum man in Europa so viel lockerer mit Sex umgeht, in welchem Alter geheiratet wird, warum erst so spät und nicht zuletzt, ob nicht einer von uns ihn heiraten wolle … Die Erklärungen, dass er ja zwanzig Jahre älter als wir war und dass wir erst einmal studieren wollten, fand er nicht ausreichend. Naja, nicht unser Problem. :D

Bevor ich nach Kyela gefahren bin, habe ich in Tukuyu einen Kuchen gekauft, den wir uns ebenfalls irgendwann gegönnt haben. Der war traumhaft und hat nicht schlechter als ein Fertigkuchen von Aldi geschmeckt![4]

Auf dem Rückweg haben mir die Schwestern zwanzig Liter Öl und Mangos für die Schwestern mitgegeben. Ein weiterer, tansanischer Besucher hat mich begleitet und für die Pfarrer in Ushirika ebenfalls Mangos mitbekommen. Während ich mich noch fragte, wie ich das alles aus dem Daladala und nach Hause tragen soll, hat dieser Typ dann einfach beide Mangokisten mitgenommen und mir nicht geglaubt, dass eine für meine Schwestern gedacht war! Voll dreist! Immerhin musste ich so nur die blöden zwanzig Liter von der Bushaltestelle die Treppe runter nach Hause schleppen. War trotzdem anstrengend. So was lasse ich mir nicht noch einmal mitgeben! Außerdem habe ich zu Hause festgestellt, dass die Schokolade, die ich in Kyela gekauft und mir extra aufgehoben habe, geschmolzen ist und in meiner Tasche langsam auslief (was für eine Überraschung …). Ich hab sie in den Kühlschrank gelegt und im Endeffekt erst nach zwei Wochen mit einer Schwester zusammen gegessen. Leider ist die Schokolade für aber sehr teuer.[5]

Ich hatte also eine ereignisreiche Zeit in Kyela und kann sagen, dass jeder seine eigene Einsatzstelle am Besten findet (so sollte es ja auch sein), dass aber echt jede Einsatzstelle was für sich hat!

 

Mshewe

Mshewe liegt schon weiter ab vom Schuss. Um dort hinzukommen, muss ich erst einmal eineinhalb Stunden mit dem Daladala nach Mbeya fahren, von dort aus mit einem anderen Daladala nach Mbalizi und von da aus mit dem Bajaji[6] oder Pikipiki nach Mshewe. Helen und Merle haben mich allerdings schon in Mbeya abgeholt, wo ich mit ihnen zusammen zum ersten Mal Chipsi Mayai[7] gegessen habe. Danach sind wir weiter nach Mshewe gefahren.

Der Convent der Schwester, auf dem Helen und Merle wohnen, ist wirklich mitten in der Pampa. Im Umkreis von fünf Quadratkilometern gibt es gefühlt nur zwanzig Einwohner. Dafür wohnen sie in einem kleinen Tal, umgeben von grünen Bergen und Feldern. Die Landschaft ist einfach traumhaft! Zusammen mit drei Schwestern, elf angehenden Schwestern[8], jeder Menge Hühnern und ein paar Schweinen wohnen die beiden zwischen den Feldern. Sie teilen sich ein Zimmer mit einem eigenen Bad mit Waschbecken und dreckiger, europäischer Toilette, allerdings auch ohne fließendes Wasser. Außerdem gibt es nur Solarstrom, der immer für Licht und meistens auch für das Aufladen ihrer Handys einmal am Tag reicht, aber das war’s. Da habe ich mit meinem meist fließenden Wasser und meinem meistens vorhandenen Storm noch die beste Ausstattung (Kisa und Kyela haben aber auch meistens Storm).

Helen, Merle und ich sind ein bisschen durch die Gegend gewandert und kamen dabei an eine Schlucht, auf deren anderer Seite sich sanfte Hügeln bis zum Horizont erstreckten. Diese Aussicht ließ einen wieder fühlen, dass man lebt!

In Mshewe haben Helen und Merle quasi ihre eigene Vorschule. Sie dürfen sich aussuchen, ob sie eine Klasse zusammen oder je eine kleinere Klasse unterricht. Da sie die einzigen Lehrerinnen sind, können sie den Unterricht und vor allem die Methoden komplett selbst bestimmen! Was für ein Luxus! Neben der Vorschule gibt es aber auch noch genug Arbeit in der Küche (schließlich wohnen da ja jede Menge Menschen), mit den Tieren und auf dem Feld. Langweilig wird es da also nicht so schnell.

Deswegen bin ich auch von Samstag nicht wie geplant bis Sonntag, sondern bis Dienstag geblieben[9]. Eines Morgens sind wir um sieben Uhr auf das Feld gegangen, sind barfuß zwischen der aufgeworfenen Erde gelaufen und haben Samen eingepflanzt. Die aufgehende Sonne, die angenehme Temperatur, die kühle Erde unter den nackten Füßen und die bewaldeten Berge um mich herum waren eine einmalige Erfahrung! Unbeschreiblich. Immer wieder schön, wie einfach das Leben einen glücklich machen kann!

Zwischendurch habe ich den beiden auch mein Buch vorgelesen, wir sind aber nur zu 75% fertig geworden, den Rest haben sie dann später selbst gelesen.

Von allen Einsatzstellen finde ich Mshewe die idyllischste! Zwar kann man aufgrund des fehlenden Storms keinen Laptop benutzen und aufgrund der Entfernung trifft man nur wenige Menschen und kann nicht mal eben so was kaufen gehen, aber die Landschaft, die Leute und die Arbeit dort sind echt toll!

 

Alle Einsatzstellen haben also ihren ganz eigenen Charme und sind total verschieden! Auch wenn ich mich gefreut habe, die anderen wiederzusehen und ihr Leben kennenzulernen, war ich doch jedes Mal froh, wieder nach Hause zu kommen, bei meinen Schwestern zu sein und in meinem eigenen Bett zu schlafen. Jedes Mal aufs Neue wird mir bewusst, wie zu Hause und wohl ich mich hier in Tansania und vor allem auch in Tukuyu fühle!

 

 

Fun Fact: Die Ausbildung der Schwestern – ein langer, harter Weg voller Hingabe

Eine Schwester zu sein, lohnt sich hier in Tansania! Mit den befestigten Häusern mit meist fließendem Wasser und Strom hat man schon mal einen deutlich höheren Lebensstandard als viele Menschen hier. Zudem hat man sehr gute Zugänge zu Bildung und kann viel lernen. Auch die Möglichkeit zu reisen und die Welt zu sehen gibt es.

Das sind wahrscheinlich unter anderem die Gründe, aus denen es hier viel mehr Menschen gibt, die ein solches Leben wählen. Der Weg dahin ist allerdings kein leichter! Ich habe gerade nicht mehr genau alles im Kopf, aber die Ausbildung der Schwestern dauert sieben Jahre! Dabei leben die angehenden Schwestern immer eine bestimmte Anzahl von Jahren an bestimmten Orten, an denen sie bestimmte Dinge lernen. In Mshewe arbeiten sie beispielsweise und lernen das Leben der Schwestern kennen. Sie haben auch eine deutlich geringere Stellung als Schwestern und dürfen deswegen nicht mit ihnen an einem Tisch setzen, nicht das gleiche gute Essen essen und müssen viel arbeiten. Danach geht es für drei Jahre nach Mloo, wo sie mehr Bildung erfahren und schwierige Prüfungen absolvieren müssen. Mehr weiß ich nicht, aber die Ausbildung geht noch weiter und ist durchlaufen von harter Arbeit und viel lernen. Eine Schwester zu werden, erfordert also viel Hingabe!

 

Fußnoten

[1] Ein Bus für zwölf Personen, in den immer um die dreißig Leute gestopft werden, was zur Kritik an der Doppelmoral aus dieser Methode und dem Schönheitsideal, fett zu sein, anregt.

[2] Nicht einmal 50 Cent.

[3] Reis mit speziellen Pilaugewürz und Gemüse

[4] Für hier ist das echt eine Leistung!

[5] 3.000 tsh ( = ca. 1,50€) für höchstens 100 g.

[6] Ein kleines Gefährt mit drei Rädern.

[7] Pommes in einem Omelett.

[8] Mittlerweile sind diese elf angehenden Schwestern in ihrer Ausbildung schon weiter und deshalb ungezogen. Dreiundzwanzig andere angehende Schwestern wohnen nun dort.

[9] „Ach, bleib doch bitte noch einen Tag! Und noch einen!“ – eine der Schwestern.

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