Ein erster Schritt in die Eigenverantwortlichkeit – Erfahrungen einer Neu-Studentin

Do you feel the same for what was remained?
Yesterday is gone, we can’t go back again.
Do you ever cry for the days gone by?
Do they haunt you like a ghost until the end?
– Alter Bridge: Ghost Of Days Gone By

Seit Ende März bin ich offiziell keine Schülerin mehr, stattdessen darf ich mich jetzt Studentin nennen. Möglich ist dies, da es in Rheinland-Pfalz (und auch nur hier!) an Gymnasien das vorgezogene Abitur gibt, das heißt, das ohnehin schon kurze Schuljahr wird noch einmal gekürzt und das Abitur schon im Januar geschrieben, während die mündlichen Prüfungen im März stattfinden.

Für uns Abiturienten hat sich die Frage gestellt, was wir tun werden, nachdem wir den schulischen Alltag hinter uns gelassen haben. Viele brauchen jetzt erst einmal eine Pause und fahren in Urlaub, ehe sie mit Praktika, FSJ, Ausbildung oder Studium beginnen. Mit dem Abitur stehen einem eben alle möglichen Wege offen. Ich hingegen habe mich entschlossen, direkt zu studieren und bin damit neben einer weiteren Bekannten die einzige von etwa 150 Abiturienten. Das vorgezogene Abitur wurde hier ja ursprünglich mal eingeführt, damit man zum Sommersemester mit dem Studium beginnen kann. Es lässt sich jetzt natürlich darüber streiten, ob es Sinn ergibt, ein Schuljahr zu verkürzen, wenn kaum jemand das Angebot, früher zu studieren, annimmt und ob es nicht besser wäre, das Modell zu verwenden, das in allen anderen Bundesländern verwendet wird, um im letzten Schuljahr wenigstens noch ein bisschen Bildung zu vermitteln, aber das soll hier nicht das Thema sein, vielmehr möchte ich meine ersten Eindrücke vom Uni-Alltag schildern.

Namensgeber

Namensgeber

Viele Mitschüler waren erstaunt, als ich erzählt habe, dass ich sofort studieren möchte, weil sie selbst erst einmal eine Auszeit nehmen wollten, was natürlich legitim ist, aber für mich war das der einzig richtige Weg, einen Plan B besaß ich nicht. Wenn man das Abitur und das damit verbundene Lernen, sowie die wenigen Schultage im Februar einmal unbeachtet lässt, habe ich im Prinzip seit den Weihnachtsferien frei gehabt und ich für mich habe gemerkt, dass mir ein halbwegs geordneter Alltag lieber ist, als irgendwann am Mittag aufzustehen und erst spät in der Nacht wieder einzuschlafen, ohne den Tag vernünftig genutzt zu haben. Zweitens hatte ich nie ein Problem mit Lernen und dergleichen, wohingegen die, die sich womöglich durchs Abitur gequält haben, jetzt ihre freie Zeit ohne Hausaufgaben oder Klausuren genießen. Ein weiterer Grund war, dass die Fächer, die ich studiere, in Mainz zulassungsbeschränkt sind und ich wollte nicht die Chance auf einen Studienplatz verstreichen lassen, wenn zum Wintersemester der große Ansturm erfolgt.

Dass ich in Mainz studieren werde, war für mich schon lange klar. Nachdem ich zwei-, dreimal dort auf dem Unigelände gewesen bin, kannte ich mich schon einigermaßen gut aus und ich wollte mich nicht in das Abenteuer stürzen, erst einmal eine fremde Stadt zu erkunden, wenn das „Glück“ so nah liegt. Die Mainzer Uni hat etwa 35000 Studenten und gehört damit zu einer der größten in Deutschland. Zugegebenermaßen ist der Campus von außen nicht unbedingt ansehnlich. Alte, durchaus beeindruckende Bauwerke wechseln sich ab mit Neubauten, die wiederum von hässlichen Hochhäusern überragt werden. Überall wird gebaut, manche Gebäude stehen leer und verfallen auf dem Gelände, besprüht mit Graffiti, eingerahmt von Bauzäunen. Von innen sind die meisten Gebäude jedoch sehr hübsch, besonders die Bibliotheken, die zum ungestörten Lernen einladen.

Mein erstes Brötchen

Mein erstes Brötchen

Ich habe erst kurzfristig erfahren, dass ich überhaupt zugelassen bin, die Einschreibung erfolgte dann recht schnell. Als ich noch in der Schule war, habe ich mir manchmal vorgestellt, wie es sein wird, völlig auf sich allein gestellt zu sein, aber bisher muss ich sagen, dass es gar nicht so schlimm ist, wie ich dachte – vielleicht war ja die Oberstufe schon eine gute Vorbereitung darauf. Natürlich muss man sich selbstständig zu Kursen und Prüfungen anmelden, natürlich muss man zu den Seminaren erscheinen und sich darum kümmern, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und alles Nötige mitzuschreiben, aber ich habe den Eindruck, dass man nicht vollkommen allein gelassen wird. Die Studenten sind hilfsbereit und beantworten Fragen, es gibt massenhaft Veranstaltungen außerhalb der Uni, besonders für Ortsunkundige, und die Dozenten sind in den meisten Fällen kein weltfremden Gelehrten, sondern durchaus sympathisch, wenngleich es ungewohnt ist, von allen gesiezt zu werden!

Die Uni und die Menschen sind unglaublich vielfältig: Personen unterschiedlicher Herkunft, mit grünen, blauen oder pinken Haaren, verschiedenen Geschmäckern etc. Tatsächlich habe ich auch Personen getroffen, die mehr Ahnung von Literatur haben als die Leute aus meinem Jahrgang, wenngleich ich noch keinen kenne, der so ähnlich ist wie ich ;).

Draußen

Draußen

Natürlich kann man nach den ersten zwei Wochen des ersten Semesters keine gültige Aussage darüber treffen, wie das Studium werden wird, aber ich bereue es keineswegs, auch nicht mein Fächerwahl. In keinem anderen Fach bin ich so gut aufgehoben wie in Germanistik; die aller meisten Bücher und Begriffe, die wir behandeln, kenne ich schon ^^.

Was ich bis jetzt feststellen kann: Ich vermisse die Schule nicht, nur um manche Leute ist es schade, die ich vielleicht nie wieder sehen werde. Als ich Anfang März die letzten Tage in der Schule verbracht und dabei die Schüler beobachtet habe, die wie gewöhnlich zu ihren Klassenräumen gelaufen sind, war mir bereits bewusst geworden, dass ich nicht mehr an den Ort gehöre. Irgendwann ist es einfach vorbei, ob man will oder nicht. Und ich wäre gerne zumindest noch bis Sommer dortgeblieben.

Allerdings hat sich nicht wahnsinnig viel geändert zur Schulzeit. Auch in der Uni gibt es inkompetente Professoren, nicht funktionierende Technik und Leute, die lieber reden, anstatt dem Vortragenden zu lauschen, ebenso Hausaufgaben, Klausuren und Entfallstunden, wenn das alles auch nicht in der Regelmäßigkeit wie in der Schule.
Was es glücklicherweise nicht mehr gibt: Mathe! Sportunterricht! Mündliche Noten (wenngleich Teilnahme gefordert ist) und auch keine unangekündigten Hausaufgabenüberprüfungen!

Letztlich ist jeder für sich allein verantwortlich und ob man kommt oder nicht, ob man mitten in der Vorlesung aufsteht, weil man Besseres zu tun hat, interessiert niemanden. Ein Studium beruht auf Freiwilligkeit, d.h. wenn Lernen und insbesondere wissenschaftliches Arbeiten jemandem nicht zusagen, sollte man es vielleicht nicht versuchen. (An Büchern kommt man in einem Studium ohnehin nicht vorbei und wenn es eine Abhandlung über die Entdeckung der Primzahlen ist!) Auf der einen Seite heißt es, dass Akademiker bei der Berufswahl bevorzugt werden und angesehener sind als die, die “nur” eine Ausbildung absolviert haben, auf der anderen, dass jene ja keine bzw. wenig Berufserfahrung haben und daher nicht genommen werden. Worin auch immer die Wahrheit liegt, jeder sollte frei entscheiden (können), wohin ihn sein Weg führt.

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