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Ist die genaue Planung des Plots für einen Roman notwendig?

Schreibt man einen Roman, so braucht man eine zündende, innovative Idee. Und einen Plot. Oder? Die Meinungen über diese Fragen unterscheiden und widersprechen sich teilweise stark. So hat Rowling das komplette Harry-Potter-Universum und Schlüsselereignisse komplett durchgeplant, während Steven King behauptet, wer seinen Roman genau plane, sei kein guter Autor. In einem Interview erwähnt Kai Meyer, er schreibe in seinem ersten Entwurf erst einmal Zusammenfassungen zu jeder Szene und erweitere diese dann in einem zweiten Durchgang. Unterschiedliche Autoren haben also unterschiedliche Herangehensweisen. Warum? Na, weil jeder anders schreibt. ;) Deshalb gibt es kein geheimes Erfolgsrezept und schon gar keine Vorschriften, wer wie zu schreiben hat. Niemand ist ein schlechter Autor, nur weil er seinen Roman vorher bis aufs kleinste Detail plant, und niemand ist ein schlechter Autor, weil er genau dies nicht tut. Hier möchte ich lediglich die Vor- und Nachteile einer Plotplanung erläutern.

Vorteile

Fester Schreibplan und Motivation

Der wohl gemütlichste Vorteil einer Plotplanung ist die Planung an sich. Wenn der Autor sich vorher genau alles aufschreibt, kann er immer nachsehen, was als nächstes geschrieben werden muss. Er kann sich sogar festlegen, an welchem Tag er was schreiben möchte. Das bringt Struktur in den Roman und Motivation in den Schreibprozess. Schreibblockaden können so effektiv abgewendet werden, denn theoretisch sollte nun der Autor immer wissen, was er zu schreiben hat. Sollte er mal keine Lust haben, schreibt er einfach trotzdem, denn immerhin hat er ja Stoff zum Schreiben und korrigieren kann man hinterher immer noch.

Spannung und Tipps

Ein weiterer Vorteil einer genauen Planung ist die Tatsache, dass der Autor genau weiß, was wann passiert. Dadurch ist es einfacher, Spannung aufzubauen und an den richtigen Stellen Hinweise zu geben. Diese Hinweise können eindeutige Kommentare (“Damals wusste ich noch nicht …”) oder auch kleine Gesten sein, die erst im Nachhinein auffallen. So kann zum Beispiel viel besser mit Metaphern und Symbolen gearbeitet werden, die im Verlauf des Romans ihre Bedeutung wandeln und somit verdeutlichen, wie sich der Charakter entwickelt oder sich eine Situation verändert hat.

Immer das Ziel vor Augen

Ebenfalls ein wichtiger Vorteil ist das Ziel vor Augen. Wenn der Autor weiß, wo er hin will, kann er auf dieses Ziel hinarbeiten und kommt seltener in die Gefahr, nicht plotrelevante Szenen zu schreiben. Außerdem ist es so beinahe unmöglich, mitten im Roman festzustellen, dass dieser nicht viel Sinn und Aussage hat, denn durch die Planung ist man sich seiner Aussage sehr bewusst.

Nachteile

(Zu) wenig Spielraum

Natürlich gibt es ein weites Spektrum an Planungsintensität. Und je intensiver und detaillierter die Planung, desto kleiner ist der Spielraum für spontane Veränderungen. Auf den ersten Blick erscheinen diese spontanen Veränderungen, in denen die Charaktere plötzlich nicht mehr das machen, was sie sollen, als ein unbedingt zu vermeidendes Übel. Doch meiner Meinung nach sind es erst diese Alleingänge, die einen Roman authentisch und glaubwürdig machen. Entwickeln die Charaktere ein Eigenleben, werden sie erst richtig lebendig. Der Autor muss ihnen Platz lassen, um ihre Geschichte selbst zu schreiben. Charaktere sind wie Söhne und Töchter: Man kann ihnen gut gemeinte Vorschläge zur Handlung machen, zwingt man sie jedoch gegen ihren Willen dazu, zerbrechen sie und werden leblos. Plant man also einen Roman komplett durch, so darf man nicht davor zurückschrecken, Teile des Plans auch mal über den Haufen zu werfen. Rowling gibt selbst zu, sie bereue Ron und Hermine am Ende zusammengeführt zu haben. Sie wollte sich an ihren Plot halten, doch nun glaubt sie, Ron hätte Hermine nie glücklich machen können – eine von vielen Lesern geteilte Meinung.

Weniger Spannung für den Autor

Im Schreibprozess ist es immer wieder schön, der Entwicklung der Charaktere beizuwohnen und ihre Geschichte mitzuverfolgen. Manche Ideen erscheinen dem Autor dann förmlich wie eine Art Erleuchtung und er erfreut sich an seinem eigenen Schaffen. Durch das Planen eines Romans sind diese plötzlichen Eingebungen deutlich reduziert. Plant der Autor seinen Roman bis ins letzte Detail, muss er eigentlich nur noch alles aufschreiben, was auf die Dauer langweilig sein kann.

Fazit und eigene Erfahrungen

Das vorige Durchplanen eines Romans hat Vor- und Nachteile. Vorteile wie einen roten Faden und ein Ziel vor Augen zu haben, die es erleichtern, Spannung aufzubauen, Hinweise zu geben und Motivation zum Schreiben zu finden, stehen einem kleineren Veränderungsspielraum und einem eventuell langweiligen Schreibprozess gegenüber. Jeder Autor muss dabei für sich selbst herausfinden, was für ihn persönlich am besten funktioniert. Sicher hängt auch vieles vom Genre, der Geschichte und den Charakteren ab. So ist es sicherlich in einem Krimi um einiges wichtiger, die komplette Geschichte zu kennen, als in einem Liebesroman, in dem es vielleicht reicht, den Anfang und das Ende zu wissen und die Charaktere im Hauptteil einfach machen zu lassen.

Beim Schreiben meines ersten Romans habe ich den Plot fast komplett durchgeplant. Meine Charaktere hatten eine Liste mit zwölf Dingen, die sie vor ihrem Tod noch machen wollten, was mir die Möglichkeit gab, die Reihenfolge und Bedeutung dieser zwölf Dinge für den Plot und die Charaktere zu planen. Ich kannte den Plottwist, hatte die Endszene schon im Kopf und für die Charaktere hatte ich lange Steckbriefe erstellt. Trotzdem habe ich nicht jede Szene geplant und habe den Charakteren Spielraum zur Entwicklung gelassen. Diese Kombination hat mir sehr geholfen; nur so gelang es mir, innerhalb eines Monats ein vorzeigbares Ergebnis zu erschaffen. Ich wusste jeden Tag, was ich schreiben wollte. Wenn ich mal nicht genau weiter wusste, habe ich in mein Notizheft geguckt und dort Inspiration gefunden. Beim Schreiben habe ich mir immer wieder Notizen zu neuen Einfällen gemacht oder mir offene Fragen aufgeschrieben, damit ich nichts vergesse. So konnte ich effektiv auf das Ziel hinarbeiten, fand immer Motivation und meine Charaktere haben sich gut entfaltet.

Im Moment schreibe ich meinen zweiten Roman, bei dem ich deutlich weniger geplant habe: Hier wusste ich nur den Anfang und das Ende und ein paar Schlüsselereignisse. Die beiden Hauptcharaktere habe ich ebenfalls gut durchgeplant. Den ganzen Teil in der Mitte jedoch weniger. Das hatte den Vorteil, dass ich häufig sehr viel Spaß am Schreiben hatte, weil ich selbst nicht so genau wusste, was passieren wird. Meine Charaktere haben die Geschichte an sich gerissen und sie ihr Eigen gemacht. Trotzdem will ich nie wieder ein Buch so wenig geplant schreiben. Mir fehlt es, einfach in mein Notizheft sehen und die nächste Szene wissen zu können. Während des Schreibens fallen mir immer wieder Dinge ein, die ich am Anfang hätte nennen sollen, der ich bekomme Einfälle für Verbesserungen und einer tieferen Beziehung zu einem anderen, nicht geplanten Charakter. Die Aussicht, im zweiten Durchgang noch so viel ändern, hinzufügen oder vertauschen zu müssen, finde ich frustrierend. Für manche Autoren ist vielleicht gerade das eine willkommene Herausforderung, doch ich bevorzuge einen festen Plan, mit dem ich arbeiten kann, denn man erspart sich im Nachhinein doch schon sehr viel Mühe.

Wer sich also nicht sicher ist, was für ihn die richtige Methode ist, dem kann ich nur empfehlen, eine genaue Planung auszuprobieren, denn es ist wesentlich leichter, sich einfach nicht an den Plan zu halten, als im Nachhinein festzustellen, dass man nur sinnfreies Zeug geschrieben oder einen fatalen Fehler im Aufbau gemacht hat.

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