Kindergarten/Vorschule in Tansania: meine erste Arbeitswoche
Jetzt habe ich meine erste Arbeitswoche hinter mich gebracht und habe viele Eindrücke gewonnen!
Die Lehrerin, mit der ich zusammenarbeite, mwalimu Cecilia (mwalimu = Lehrer), ist sehr freundlich und zuvorkommend. Sie behandelt sie Kinder liebevoll und mit mir redet sie in den Pausen immer extra langsam und geduldig auf kiswahili. Außerdem bringt sie mir neue Worte bei, indem sie auf Sachen zeigt oder mit mir Bilderbücher anguckt und dann schreibe ich die Wörter in ein Heft, das ich eigens dafür gekauft habe. Die Hefte sind hier übrigens ziemlich schlechter Qualität: schon beim Kauf sehen sie so aus, wie ich mir ein altes, aufgehobenes Schulheft meiner Mutter vorstellen würde.
Der Tagesablauf ist eigentlich immer ziemlich ähnlich:
- 7:45 Uhr offizieller Beginn, d.h. ich gehe 7:50 Uhr erst los, bin 7:55 Uhr da und warte noch bis 8:05 Uhr auf die Lehrerin. Dann unterhalten wir uns noch und erledigen Dinge.
- ca. 8:15-8:30 Uhr praktischer Beginn: Buchstaben oder Zahlen werden an die Tafel geschrieben, die Kinder lesen bzw. schreien sie mit und schreiben sie dann in ihre Hefte ab.
- ca. 9:30 Uhr: die Kinder dürfen rausgehen, um sich auszuruhen (ohne Aufsicht!)
- ca. 10:00-10:15: die Kinder werden wieder reingeholt, bekommen Uji (ein sehr flüssiger und süßer Maisbrei) und essen ihre Mandazi (im Grunde frittiertes Stockbrot in Form einer Kugel)
- 10:30-10:45 Uhr: die Kinder singen oder bekommen eine Geschichte erzählt
Ja, in Tansania ist alles ein bisschen verpeilt und fängt immer später an als geplant, aber dafür ist es sehr entspannt!
Die Unterrichtsmethoden sind allerdings sehr anders als in Deutschland. Wie schon beschrieben, wird immer nur etwas an die Tafel geschrieben, die Kinder lesen (oder schreien) es vor und schließlich schreiben es dann ab. Allerdings können nicht alle schreiben und jenen schreiben wir dann Buchstaben, die sie nachschreiben sollen, ins Heft. Von wirklichem Verstehen kann hier aber nicht die Rede sein. Aus der ganzen Klasse können vielleicht 3 Kinder wirklich lesen. Der Rest sagt das, was die Masse sagst. Jeden Tag werden neue Silben an die Tafel geschrieben: ga, ge, gi, go, gu. ba, be, bi, bo, du. etc. Das lesen sie dann auch fleißig vor. Wenn allerdings bu, be, bi, bo, ba geschrieben wird, können sie es plötzlich nicht mehr lesen, weil sie nur diese bestimmte Reihenfolge der Vokale können. Zudem hat die Lehrerin eine Art Kalender mit den ganzen Silben sowie pro Silbengruppe jeweils drei Wörtern mit Bildern. Die drei Wörter schreibt sie dann auch an die Tafel. Wenn dann ein Kind nach vorne geholt wird und vorlesen soll, starrt das Kind erst auf das Wort, dann auf den Kalender, scheint das Schriftbild zu vergleichen und sagt dann, was es auf dem Bild sieht. So kam es vor, dass ein Kind ein ganz anderes Wort gesagt hat als an der Tafel stand, weil es zwei Wörter für “Baumstamm” gibt.
Außerdem werden hier in der Schule überhaupt keine klaren Ansagen gemacht. Die Kinder bekommen die Hefte ausgeteilt und sollen schreiben. Wie oft allerdings wird nicht gesagt und wenn sie dann nur eine Reihe anstatt fünf schreiben, bekommen sie Ärger. Außerdem teilen wir die Hefte meist in Gruppen aus: erst die, die schon von der Tafel abschreiben können. Dann die, denen wir Buchstaben, Silben und Wörter vorschreiben. Dann die, denen wir erst noch zeigen müssen, wie man überhaupt schreibt. So sind oft Kinder fertig, wenn die nächsten gerade erst anfangen. Und dann sitzen sie auf ihren Plätzen, langweilen sich, haben nichts zu tun und 1,5 Stunden keine Pause.
Leider geht die Lehrerin oft mitten im Unterricht telefonieren. So sitze ich jeden Tag 20 Minuten einfach in der Klasse rum, singe einmal mit den Kindern und lese dann einfach auf meinem Kindle, da ich es den Kindern nicht verübeln kann, wenn die mal laut sein wollen und ein bisschen Pause machen wollen. Mangels Sprachkenntnissen könnte ich ja jetzt eh noch keinen Unterricht machen und das ist ja auch nicht im Sinne der Lehrerin.
An sich ist die Lehrerin auch total nett und ziemlich kompetent. Sie lobt die Kinder und geht liebevoll mit ihnen um. Allerdings macht die übliche Erziehungsmethode auch bei ihr keinen Halt: auch sie schlägt die Kinder. In Tansania ist das ganz normal. Wenn wir in Deutschland 50 Jahre zurückgehen, war es damals bei uns auch noch normal, Kinder zu schlagen. In Tansania ist es aber auch schon dabei, sich zu verändern. Trotzdem sind sie keine schlechten Menschen! Eltern würden ihre Kinder gar nicht auf eine Schule schicken, in der Kinder nicht geschlagen werden. Natürlich ist diese Erziehungsmethode fragwürdig und bringt auch nicht viel außer die Kinder mit Angst ruhig zu halten. Aber keiner kann das jetzt ändern. Überraschenderweise kann ich mich auch echt gut davon distanzieren. Zwar tun mir die Kinder natürlich Leid, aber so schlimm, wie ich dachte, finde ich es gar nicht. Wie gesagt, für die Kinder ist es ja normal. Sie kennen die Konsequenzen, wenn sie sich schlecht verhalten. Allerdings werden die Kinder auch manchmal unfairerweise geschlagen, zum Beispiel wenn sie aus oben genannten Gründen das Wort falsch sagen…
Alles in allem gefällt mir die Schule aber und Lehrerin und Kinder sind total lieb!
In Tansania wird Arbeit auch etwas entspannter gesehen als hier. So gehen Lehrer einfach für 20 Minuten zum Telefonieren aus dem Unterricht oder erledigen während der Arbeitszeit ihre Einkäufe. Heute habe ich sie zum Beispiel gefragt, ob sie mir helfen kann, eine neue SIM-Karte zu kaufen und dachte damit an die Zeit nach dem Unterricht. Sie allerdings stand direkt auf und ging mit mir zum Shop. Einerseits ein Zeichen dafür, wie hilfsbereit die Tansanier sind, andererseits schon irgendwie schockierend. Die Kinder wurden dann ohne Aufsicht einfach draußen gelassen. Als wir wiederkamen, meinte sie, sie hätte noch etwas zu tun und hat die Kinder und mich nach Hause geschickt. So war ich heute schon um 10 Uhr zu Hause.
Fotos von der Schule in den Kindern folgen!