Politikverdrossenheit bei Jugendlichen

Bei den letzten Bundestagswahlen 2009 lag die allgemeine Wahlbeteiligung bei 70,8 Prozent, ein historischer Tiefstwert. Zum Vergleich: im Jahr 2005 lag sie noch bei 77,7 Prozent, in den Siebzigern sogar über 90 Prozent! Die Tendenz, wählen zu gehen, sinkt also in den letzten Jahren. Und nicht nur bei vielen Erwachsenen scheint die Politikverdrossenheit zuzunehmen, auch Jugendliche sind nicht wirklich interessiert daran. Laut der Shell-Jugendstudie von 2010 interessieren sich bei Jugendlichen im Alter von zwölf bis siebzehn 21 Prozent für Politik, im Alter von fünfzehn bis siebzehn 33 Prozent. Das sind zwar im Vergleich zu vorigen Ergebnissen gestiegene Werte, sie sind jedoch noch immer erschreckend niedrig. Dabei gibt es so viele gute Gründe wählen zu gehen! Woher genau kommt dieses zunehmende Desinteresse?

 

Schule

Um dem Ganzen auf die Spur zu gehen, begibt man sich am besten zunächst dorthin, wo Jugendliche den Großteil ihres Lebens verbringen: in der Schule. Zunächst einmal ist positiv anzumerken, dass in Deutschland tatsächlich dafür gesorgt wird, dass Schüler politisch gebildet werden. Wo andere Bereiche vernachlässigt werden (siehe hier), gibt es tatsächlich ein Fach, das sich mit Politik beschäftigt, das entweder schlicht Politik heißt, Politikwissenschaft, Sozialkunde, Gesellschaftswissenschaft oder Gemeinschaftskunde. Die Möglichkeit ist zumindest schon einmal gegeben.
Der Unterricht unterscheidet sich in den einzelnen Bundesländern, deshalb bediene ich mich des Beispiels aus Rheinland-Pfalz. Hier wird Sozialkunde ab der neunten Klasse unterrichtet. Zunächst einmal wird in das Thema eingeführt, dann arbeitet man sich durch die einzelnen Ebenen durch, behandelt Parteien, auch Wirtschaft. In der Oberstufe werden die Themen noch einmal vertieft, denn das Fach lässt sich nicht abwählen.
Lehrer versuchen, die Schüler zum Zeitungslesen und Nachrichtengucken anzuregen; außerdem stehen Besuche von politischen Institutionen und eines Gerichts auf dem Programm.

Erstaunlicherweise wird sich in diesem Fach sehr bemüht, die Schüler zu erreichen. Wie weit das natürlich möglich ist, wenn Sozialkunde erst zweistündig, in der zehnten Klasse nur noch einstündig unterrichtet wird, bleibt unbeantwortet. Natürlich liegt es auch hier wieder an der Kompetenz des Lehrers, inwieweit er die Schüler zu motivieren und seinen Unterricht zu gestalten vermag.

 

Medien

Gehen wir nun weiter zu den Medien. Im Bereich der Handy Apps, die von vielen Jugendlichen regelmäßig genutzt werden, gibt es ein breites Spektrum. Sie sind nicht unbedingt auf diese Altersklasse zugeschnitten; dafür sind viele von ihnen kostenlos. Die App „Deutscher Bundestag“ etwa versorgt den Konsumenten kostenlos mit Artikeln, aktuellen Debatten, Hintergründen und selbst einem Livestream. Auch der Bundesrat bietet eine ähnliche Anwendung an. Selbst Parteien, große Zeitschriften sowie Fernsehsender besitzen eigene, kostenlose Applications, auf denen man sich über das aktuelle Geschehen informieren kann. Inwiefern die Inhalte auf jeden einzelnen zutreffen, ist abzuwägen.
Im Fernsehen sind vor allem die Nachrichtensendungen in den öffentlich-rechtlichen Programmen zu erwähnen. Daneben gibt es den Sender Phoenix, der Debatten aus dem Bundestag live überträgt sowie n-tv und N24, die neben Dokumentationen auch rund um die Uhr Nachrichten senden. Für jüngere Konsumenten gibt es im Kinderkanal „logo“, das auf eine unkomplizierte Art aktuelle Themen erklärt. Neben den reinen Nachrichten erfreuen sich auch Politik-Satire-Shows immer größerer Beliebtheit. Im ZDF läuft seit 2010 die „heute-show“, die sich auch bei mehr und mehr Jugendlichen großer Beliebtheit erfreut. Sie kombiniert aktuelle Themen mit Satire und Comedyelementen. Die Quoten im Bereich der 14-49 liegen regelmäßig im einstelligen Millionenbereich.
Im Internet gibt es natürlich unzählbar viele Seiten, die sich mit Politik beschäftigen. Eine davon ist die Seite der Bundespolitischen Zentrale für politische Bildung, auf der Jugendlichen mit vielen Bildern, Grafiken und leicht zu verstehenden Texten Politik und Wirtschaft erklärt wird.
In anderen Medien (Bücher, Zeitungen, Radio) gibt es eher wenige Bereiche, die Jugendliche ansprechen. Wenn Jugendliche mal Zeitungen aufschlagen, dann wohl meist den Sport- oder Panoramateil.

 

Politik an sich

Auch die Politik selbst sollte man nicht außer Acht lassen. Ist es das komplizierte System, mit dem Jugendliche in der Schule gequält werden? Das Wahlsystem in Deutschland nennt sich „personalisiertes Verhältniswahl“, bedeutet aber eigentlich nicht mehr als zwei Kreuzchen zu setzen, eins für einen Direktkandidaten, eins für eine Partei. Oder undurchsichtige Themen wie die Schuldenkrise? Ist es die scheinbare Alternativlosigkeit, vor der auch viele Erwachsene zurückschrecken? Wen soll man noch wählen in Zeiten, in denen sich konservative Parteien plötzlich für die Energiewende einsetzen? Vielleicht sind es auch einfach die Politiker, die auch den Jugendlichen missfallen. Denn dumm und beeinflussbar sind diese sicher nicht. Auch an ihnen geht es nicht vorbei, wenn Politiker sich wie Fähnchen im Wind drehen, selbst bei integer scheinenden Personen dunkle Geschichten ans Tageslicht kommen, Parteien alles dafür tun, um an die Macht zu kommen (nicht umsonst wird eine Volkspartei dadurch definiert, dass eine möglichst große Wählerschaft wichtiger ist als die politischen Themen!) und mit ihren Ideen praktisch am Volk vorbei regieren.

 

Fazit

Im September 2013 stehen die nächsten bundesweiten Wahlen an und bereits aus meiner Generation werden bis dahin viele das wahlfähige Alter erreicht haben. Es gibt viele Gründe, warum manche, nicht alle, Jugendliche desinteressiert an Politik sind. Wahrscheinlich muss auch hier ein gewisses Grundinteresse vorhanden sein. Zumindest das Angebot ist da; es gilt, es zu ergreifen.

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