Zwischen Freiheit und Sicherheit

They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.Benjamin Franklin (1775)

Dieses Zitat des amerikanischen Politikers und Erfinders Benjamin Franklin, oft auch in der Kurzform „Wer Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren“ ist über 200 Jahre alt und stammt aus dem Kontext des  Konflikts zwischen den Amerikanischen Kolonien und Großbritannien. Trotzdem er auch heute, in einem völlig anderen Kontext, nicht an Aktualität verloren.

In den vergangenen Monaten gab es viele Ereignisse, denen man dieses Zitat vorstellen könnte, und vermutlich werden es leider noch mehr. Ich verwende ihn für einen Artikel zu den Terroranschlägen in Brüssel am 22.03.16, bei denen 30 Menschen getötet und 260 verletzt worden sind.

Das Schlimme an solchen Anschlägen ist, dass uns oftmals viel zu unbewusst ist, dass unschuldige Menschen aus ihrem Leben gerissen wurden. Aus Hass. Aus kruden Ideologien. Jeder von uns hätte dort sein können. Wir stumpfen ab, denken „Ach, nicht schon wieder“ und können die vielen Sondersendungen im Fernsehen nicht mehr sehen.

Leider kann man wie schon nach den Attentaten in Sozialen Netzwerken wieder verstärkt lesen:
„Ja, wenn in XY was passiert, interessiert das auch keinen.” Oder: “Sonst werden auch eine Profilbilder etc. gefärbt.“
Das stimmt. Wenn in Belgien und Frankreich Terroranschläge passieren, wird darüber eher berichtet, weil sie näher im Fokus von Deutschland liegen. Fast jeder war schon einmal in Paris oder Brüssel und hätte genauso gut an der Stelle der Toten sein können. Erst im Februar 2016 dieses Jahres starben in Istanbul bei einem Bombenanschlag elf Personen, und das ist nur einer von vielen Anschlägen.
Überall auf der Welt passieren schlimme Dinge, die wir betrauern müssten, tagtäglich. Trotzdem sollte das nicht unser Mitgefühl für diesen Anschlag in Brüssel mindern, weil einmal mehr über ihn berichtet wird als über alle anderen.

Manche Leute nutzen sogar gerade die Ereignisse, die hier in Europa, sozusagen vor der eigenen Haustür passieren, auf widerlichste Weise, um von den Terroranschlägen eine Verbindung zum Flüchtlingsproblem zu ziehen, was völlig absurd ist.

Belgien ist – so muss man leider sagen – ein Nest für Terrorismus. Das Land zählt elf Millionen, von denen rund 500 zu den islamistische Extremisten zählen. Das ist die höchste Dichte an Jihadisten in der EU.¹

Gerade die Hauptstadt Brüssel und insbesondere der Stadtteil Molenbeek erlangten in der Vergangenheit Bekanntheit als Hochburg von Terroristen, die dort lebten und sich die gute geografische Lage zu Nutzen machten.

Erst Mitte März wurde Salem Abdeslam, der Hintermann der Anschläge von Paris, an diesem Ort gefasst.²  Im August 2015 brach von hier ein Extremist zum Brüsseler Bahnhof auf, um einen Attentat auf einen Zug von Amsterdam nach Paris zu auszuführen. Außerdem gibt es Verbindungen zu Charlie Hebdo.³ Genug abschreckende Beispiele also, die deutlich machen, wie es in diesem Gebiet zugeht.

Molenbeek ist der ärmste der Brüsseler Gemeinden. Jeder Dritte dort ist arbeitslos, 42% davon Jugendliche (Stand: 2015). In dem Stadtteil leben besonders viele Angehörige des Islams, besonders Marrokaner, die schlecht integriert sind und unter Perspektivlosigkeit leiden. Islamisten haben daher ein leichtes Spiel, vor allem die Jugendlichen zu radikalisieren.

Keiner dieser Leute war ein Flüchtling. Genausowenig ist der Islam als Religion an den Anschlägen schuld. Nicht alle Islamanhänger sind Terroristen oder auf dem Weg dahin. Es handelt sich immer um eine kleine Gruppe radikalisierter Leute, die die Religion vorschieben, um ihre kranken Pläne durchzuführen. Genauso wenig ist allein die Existenz des Christentums am Kreuzzug oder an der Inquisition schuld, sondern die Könige, Kaiser, Päpste etc., die dazu aufriefen, ihren Glauben als den einzig wahren anzusehen und Andersgläubige zu verfolgen.
Normalerweise sollte es klar sein, dass Verallgemeinerungen niemals zutreffen, aber in der heutigen Zeit muss es scheinbar immer wieder betont werden.

Als Reaktion auf die Terroranschläge werden nun Grenzen verschärft, Kontrollen durchgeführt, die Polizeipräsenz verstärkt. Als Reaktion wohlgemerkt, nicht zur Vorbeugung. In der Langform des Eingangszitates spricht Franklin von a little temporary safety. Wir haben vorübergehend mehr Sicherheit. Aber keine absolute. Und erst recht nicht für immer.

Die Zeitung „Neue Presse“ schrieb dazu am 22.03.16 sehr treffend wie ich finde:
„Angesichts der Tatsache, dass für die lückenlose Überwachung eines einzigen „Gefährders“ 20 bis 25 Polizeibeamte notwendig sind, können die Sicherheitsbehörden ihre Netze auch beim besten Willen nicht engmaschig genug knüpfen, um alle potenziellen Massenmörder zu neutralisieren.“

Wenn Terroristen entschlossen sind, dann werden sie einen Weg finden, um ihre Ziele durchzusetzen, ob nun mehr Polizisten unterwegs sind oder nicht.

Statt jetzt die Sicherheitslage zu erhöhen und Grenzen zu schließen, sollte die Politik lieber die Ursachen bekämpfen, nämlich die fehlende Integration und die Perspektivlosigkeit. Das sagt sich natürlich so einfach. Aber nur, wenn man das Problem an der Wurzel packt, kann man es langfristig bekämpfen. Das ist übrigens ein Punkt, der durchaus auch die Flüchtlingsproblem betrifft. Anstatt darüber zu diskutieren, wer wie viele Leute aufnehmen kann oder Zäune zu bauen, sollte man lieber Integrationsmöglichkeiten für die Leute schaffen, die da sind, und anstatt Menschen durch Kriegseinsätze oder Freihandelsabkommen zum Gehen zu zwingen, Strukturen aufbauen und den Gründen nachzugehen, die Menschen dazu treiben, sich überhaupt zu radikalisieren.

Wir kommen nicht voran, indem wir Hass und Unrecht mit noch mehr Hass und Unrecht bekämpfen. Daraus entsteht weder Frieden noch Recht.

Quellen

¹,⁴ http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4951834/Warum-Belgien-fur-Gotteskrieger-ein-gelobtes-Land-ist?from=simarchiv
² https://www.tagesschau.de/ausland/bruessel-terror-razzia-109.html
³ http://diepresse.com/home/4867874/

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