Autorenvorstellung: Hermann Hesse (1877-1962)

Es führen über die Erde Straßen und Wege viel,
Aber alle haben dasselbe Ziel,
Du kannst reiten und fahren, zu zweien und zu dreien…
Den letzten Schritt musst du gehen allein.

Drum ist kein Wissen, noch Können so gut,
Als daß man alles Schwere Alleine tut.

– Allein, 1906

Heute am 02. Juli vor 136 Jahren wurde der Schriftsteller Hermann Hesse geboren. Zudem war im letzten Jahr sein fünfzigster Todestag. Grund genug, uns diesen Mann einmal näher anzuschauen.

Hermann Karl Hesse wurde am 02. Juli 1877 im kleinen Ort Calw im heutigen Baden-Württemberg geboren. Sein Vater Johannes Hesse stammte aus Estland, während seine Mutter Marie Gundert in Indien geboren wurde. Beide arbeiteten als christliche Missionare. Hesse hatte noch drei Geschwister, zwei weitere starben bereits früh.
Nach einem kurzen Aufenthalt in Basel besuchte Hesse 1886 zunächst in Calw die Lateinschule, 1890 dann in Göppingen. Grund dafür war, dass Hesses Eltern für ihren Sohn eine theologische Ausbildung vorsahen, die dem Jungen mit Bestehen des württembergischen Landexamens zustehen würde. 1891 bestand Hesse das Examen und kam auf die Klosterschule Maulbronn.
Den junge Hesse schien das vorbestimmte Schicksal jedoch nicht zu gefallen. Bereits ein Jahr später floh er aus dem Kloster und konnte erst nach einem Tag wieder gefunden werden.
Das Verhältnis zu seinen Eltern war zerrüttet. Hesse wurde in verschiedene Anstalten gebracht, nach einem versuchten Selbstmord sogar in eine Nervenheilanstalt. Von seinen Eltern fühlte er sich unverstanden und im Stich gelassen. Die religiöse Welt seiner Eltern kam ihm scheinheilig vor. Später verarbeitete er diese Erlebnisse in seinem Roman „Unterm Rad“.
Ende 1892 durfte Hesse ein Gymnasium in Cannstatt besuchen, brach die Schule aber nach einem Jahr bereits ab. Er absolvierte eine Lehre als Buchhändler, von der er jedoch weglief, sowie als Mechaniker.
In Tübingen begann Hesse 1895 eine zweite Lehre als Buchhändler. Dort kam er in Kontakt mit Schriftstellern wie Goethe, Schiller oder Lessing, aber auch Werke der Romantik las der Achtzehnjährige gern. 1898 endete die Lehre, doch Hesse blieb weiterhin als Gehilfe in dem Geschäft, um sein eigenes Geld zu verdienen. Er veröffentlichte seine ersten kleinere Werke, die kaum Zuspruch fanden.
1899 siedelte Hesse nach Basel um, um dort in einem Antiquariat zu arbeiten, gleichzeitig veröffentlichte er weiter Gedichte und Prosageschichten. 1904 folgte mit “Peter Camenzind”, in der er das Leben des jungen Peters, der in den Bergen aufwächst, die Welt kennenlernt und schlussendlich wieder nach Hause zurückkehrt, schildert, sein erster erfolgreicher Roman. 1906 erschien dann “Unterm Rad”, in dem der junge Hans Giebenrath unter dem Druck der Außenwelt zusammenbricht und ertrinkt. Diese beiden Werke sicherten Hesse ein gutes Einkommen, sodass er seine Frau Mia, die er 1903 kennengelernt hatte, heiraten konnte. Sie ließen sich am Bodensee nieder und bekamen drei Kinder. Hesse reiste viel, Mitte der 1910er Jahre das erste Mal nach Indien, ein Land, dessen Kultur er sehr liebte.
1914 brach der Krieg aus und Hesse arbeitete bei der Kriegsgefangenenfürsorge. 1916 begab er sich freiwillig in psychotherapeutische Behandlung, da die Presse ihn zu dieser Zeit scharf attackierte, seine Ehe zunehmend kriselte, einer seiner Söhne schwer erkrankte und sein Vater starb. Sein Therapeut war ein Schüler des Psychoanalytikers Carl Gustav Jung, dessen Psychologie Hesse in seine Werke einfließen ließ.
Als entschiedener Kriegsgegner schrieb er 1917 in nur drei Wochen seinen Roman “Demian” nieder, das er unter dem Namen „Emil Sinclair“ veröffentlichte. In dem Roman wird die Entwicklung des jungen Sinclairs dargestellt, der den mysteriösen Demian kennenlernt, welcher ihn sein ganzes Leben zu begleiten scheint. Der Roman hatte einschlagenden Erfolg, wofür er sogar einen Preis bekam. Hesse gab vor, das Werk sei die Autobiografie des todkranken Autos Emil Sinclair, das er stellvertretend veröffentliche. 1920 wurde Hesse jedoch anhand seines Schreibstils enttarnt und gab den Preis zurück.
Nachdem Hesse befand, dass seine Ehe nicht mehr zu retten war, zog er 1919 allein ins Schweizer Kanton Tessin nach Montagnola um. Dort lernte Hesse seine zweite Ehefrau Ruth Wenger kennen, die er 1924 ehelichte. Die Ehe der beiden stand allerdings von Anfang an unter keinem guten Stern, sodass sie sich 1927 wieder trennten. Im gleichen Jahr erhielt Hesse die Schweizer Staatsbürgerschaft. 1922 war Hesses Roman “Siddhartha” erschienen – wieder ein Entwicklungsroman über den jungen Siddhartha, der als Eremit, als reicher Mann und als Fuhrmann lebt, um schließlich seinen Frieden zu finden.
1927 wurde Hesses erfolgreichster Roman veröffentlicht: “Der Steppenwolf”. Hier spiegeln sich zahlreiche Anspielungen auf Hesse wieder, nicht zuletzt der klingende Name des Protagonisten „Harry Haller“. Dieser besitzt eine gespaltene Persönlichkeit: die des gebildeten, kulturellen Menschen sowie die tierische, einsame, kritische Seite eines Wolfes. Haller steht so im Zwiespalt mit sich, dass er künstlerisch nicht produktiv sein kann und überlegt, sich an seinem fünfzigsten Geburtstag umzubringen (auch hierhin liegen Parallelen zu Hesse). Erst im Humor, im Lachen über die Welt können sich beide aneinander annähern.
1930 erschien Hesses “Narziß und Goldmund”, ein Roman, der die unterschiedlichen Lebensweisen der beiden Titelfiguren und Freunde beschreibt. Im Jahr darauf heiratete er seine dritte Ehefrau Ninon Dolbin und zog mit ihr in ein neues Haus, das „Casa Hesse“, in dem er zahlreiche Besucher empfing.
Während des Krieges erschien 1943 in der Schweiz Hesses letzter Roman „Das Glasperlenspiel“. Das Spätwerk trug dazu bei, dass Hesse 1946 den Nobelpreis für Literatur verliehen bekam. Danach schrieb Hesse keine längeren Geschichten mehr, sondern konzentrierte sich vorzugsweise auf seine Briefkorrespondenz.
Am 9. August 1962 starb Hesse mit fünfundachtzig Jahren an einem Schlaganfall.

„Meine letzte Kraft will ich aufwenden, zu zeigen, dass ich nicht die Maschine bin, die man nur aufzuziehen braucht. Man hat mich mit Gewalt in den Zug gesetzt, herausgebracht nach Stetten, da bin ich und belästige die Welt nimmer, denn Stetten liegt außerhalb der Welt. […] Und jetzt frage ich, nur als Mensch, (denn ich erlaube mir, gegen Euren Willen und meiner 15 Jahre, eine Ansicht zu haben): Ist es recht, einen jungen Menschen, der außer einer kleinen Schwäche der Nerven so ziemlich ganz gesund ist, in eine „Heilanstalt für Schwachsinnige und Epileptische” zu bringen?“

„Sehr geehrter Herr! Da Sie sich so auffällig opferwillig zeigen, darf ich Sie vielleicht um 7 M oder gleich um den Revolver bitten. Nachdem Sie mich zur Verzweiflung gebracht, sind Sie doch wohl bereit, mich dieser und sich meiner rasch zu entledigen. Eigentlich hätte ich ja schon im Juni krepieren sollen. […] Schreiben sie nimmer „Lieber H.“ etc; es ist eine gemeine Lüge […] Ich hoffe, dass die Katastrophe nimmer lang auf sich warten lässt. Wären nur Anarchisten da!
H. Hesse, Gefangener im Zuchthaus zu Stetten, wo er „nicht zur Strafe“ ist. Ich beginne mir Gedanken zu machen, wer in dieser Affaire schwachsinnig ist.“

Diese beiden Briefe schrieb der junge Hesse 1892 an seine Eltern bzw. den zweiten explizit an seinen Vater. Er floh aus der Klosterschule, brach später das Gymnasium ab und beendete seine erste Lehre ohne Ergebnis. Wie konnte nun aus solch einem Rebellen ein ernsthafter Schriftsteller werden?

Zweifellos war Hesses ganzes Leben von Schwierigkeiten und Missverstandensein geprägt. Er plante Selbstmordversuche, zwei seiner Ehen scheiterten, er geriet in Schreibkrisen (z.B. während Siddhartha) und begab sich mehrere Male in Therapie.
Es scheint jedoch, dass Hesse mit jedem Hindernis mehr Erfahrung dazu gewann und daraus lernte.
Diese Erfahrungen hielt er schriftlich fest. So schrieb er zum Beispiel mit Unterm Rad seine Jugenderfahrungen nieder oder mit Demian die Kriegserfahrungen. Das führt dazu, dass sich in Hesses Werk wie in keinem anderen Hinweise auf sein Leben finden.

Hesses Frühwerk enthielt noch viele romantische Elemente, wie etwa in Peter Camenzind, in der mit behutsamer Genauigkeit Peters Heimat in den Bergen beschrieben wird.
Nach seinen psychotherapeutischen Erfahrungen wurden die Werke „tiefer“, spielten sich häufig im Innern der Protagonisten ab wie im Steppenwolf.
Das zentrale Merkmal eines Hesse-Romans ist die Entwicklung einer jungen Persönlichkeit, oftmals mithilfe eines Freundes oder Lehrers, der ihm bei diesem Werdegang zur Hilfe steht, wie etwa im Demian oder bei Narziß und Goldmund. Ob die Figur nun Peter Camenzind, Hans Giebenrath, Emil Sinclair, Siddhartha, Goldmund oder Josef Knecht heißt – sie alle beginnen als junge Menschen, werden älter und kenntnisreicher und haben dabei durchaus auch ihre Probleme. Einige von ihnen lässt Hesse am Ende sterben, andere nicht. Ein Merkmal Hesses ist es auch, dass viele seiner männlichen Protagonisten Erfahrungen mit Alkohol und Frauen machen.
Der Steppenwolf ist in dieser Hinsicht eine Ausnahme. Die Hauptfigur Harry Haller ist bereits erwachsen und kennt die Tücken des Lebens bereits. Seine „Meisterin“ ist die junge Frau Hermine.

Hesse versuchte bewusst, sich ein Außenseiterimage zu kreieren, doch das war er keineswegs, was seine zahlreichen Kontakte belegen. Seine Werke wurden außerdem zu Lebzeiten bereits zahlreich verkauft, selbst eine Biographie erschien.

Hermann Hesse veröffentlichte auch zahlreiche Gedichte, die heutzutage eher hinter seinem Prosawerk stehen. Eines seiner bekanntesten Gedichte, Stufen, aus dem Glasperlenspiel kann man sich hier höchstpersönlich von ihm vorlesen lassen. Auch als Rezensent deutscher und östlicher Werke tat er sich hervor.

Nicht nur dank seiner zahlreichen Romane ist Hesse heute ein bekannter deutscher Autor, sondern sein Leben bietet immer wieder Anstoß zum Staunen und Verwundern.
Zum Schluss noch eines seiner Gedichte mit dem Titel „Wie sind die Tage schwer“ von 1911, das zeigt, dass Hesse auch als Dichter nicht zu verachten ist.

Wie sind die Tage schwer!
An keinem Feuer kann ich erwärmen,
Keine Sonne lacht mir mehr,
Ist alles leer,
Ist alles kalt und ohne Erbarmen,
Und auch die lieben klaren
Sterne schauen mich trostlos an,
Seit ich im Herzen erfahren,
Dass Liebe sterben kann.

Und was denkst du dazu?

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